Das egoistische Gen
wahrscheinlich mehrere Male den Haupttreffer machen.
Tatsächlich ist ein Molekül, das Kopien seiner selbst herstellt, nicht so schwer vorstellbar, wie es zunächst scheint, und es brauchte auch nur ein einziges Mal vorzukommen. Denken wir uns den Replikator als eine Gußform oder eine Schablone.
Stellen wir ihn uns als ein großes Molekül vor, das aus einer komplexen Kette verschiedener Arten von Bausteinmolekülen besteht. Die kleinen Bausteine waren in der den Replikator umgebenden Suppe reichlich vorhanden. Nehmen wir nun an, daß jeder Baustein eine Affinität für seine eigene Art besitzt.
Dann werden in der Suppe schwimmende Bausteine, die in die Nähe eines Replikatorteiles geraten, für das sie eine Affinität besitzen, wahrscheinlich daran hängenbleiben. Die sich auf diese Weise anheftenden Bausteine werden automatisch in einer Reihenfolge angeordnet, die diejenige des Replikators nachahmt. Es ist nicht schwer, sich als nächstes vorzustellen, daß sie sich genau wie bei der Bildung des ursprünglichen Replikators zu einer stabilen Kette verbinden. Dieser Prozeß könnte sich als ein fortwährendes Aufstapeln, Schicht um Schicht, fortsetzen. So entstehen Kristalle. Andererseits können sich die beiden Ketten auch voneinander lösen; in diesem Fall haben wir zwei Replikatoren, die beide weitere Kopien produzieren können.
Eine kompliziertere Möglichkeit ist die, daß die einzelnen Bausteine keine Affinität für ihre eigene Art besitzen, sondern daß eine wechselseitige Affinität zwischen jeweils zwei verschiedenen Arten besteht. Dann würde der Replikator nicht als Schablone für eine identische Kopie, sondern für eine Art Negativ dienen, das seinerseits wieder eine genaue Kopie des ursprünglichen Positivs herstellen würde. Für unsere Zwecke ist es gleichgültig, ob der ursprüngliche Kopiervorgang positiv-negativ oder positiv-positiv verlief; es ist allerdings erwähnenswert, daß die modernen Äquivalente des ersten Replikators, die DNA-Moleküle, positiv-negativ kopieren. Entscheidend ist, daß plötzlich eine neue Art von „Stabilität“ auf die Welt kam. Bis dahin gab es wahrscheinlich kein bestimmtes komplexes Molekül, das sehr reichlich in der Suppe vorkam, weil jede Molekülart davon abhängig war, daß die Bausteine sich zufällig zu einer bestimmten stabilen Gestalt zusammenfügten. Sobald der Replikator geboren war, muß er seine Kopien rasch über alle Meere verbreitet haben, bis die kleineren Bausteinmoleküle zu einer knappen Ressource wurden und sich immer seltener andere große Moleküle bildeten.
Damit scheinen wir zu einer großen Population von identischen Kopien zu gelangen. Doch jetzt müssen wir eine wichtige Eigenschaft jedes Kopiervorgangs erwähnen: Er ist nicht vollkommen. Es kommen Fehler vor. Ich hoffe, daß es in diesem Buch keine Druckfehler gibt, wenn der Leser aber genau darauf achtet, wird er vielleicht einen oder zwei finden. Sie werden die Bedeutung der Sätze wahrscheinlich nicht ernstlich verzerren, weil es sich bei ihnen um „Fehler in der ersten Generation“ handelt. Doch denken wir an die Zeiten, als der Buchdruck noch nicht erfunden war und solche Bücher wie die Evangelien handschriftlich kopiert wurden. Jedem Schreiber, so sorgfältig er auch sein mag, unterläuft ab und an ein Fehler – und nicht jeder ist dagegen gefeit, eine kleine bewußte „Verbesserung“ anzubringen. Würden alle von einem einzigen Original abschreiben, so würde die Bedeutung nicht sehr entstellt. Werden aber Kopien von Kopien hergestellt, die ihrerseits von anderen Kopien gemacht wurden, so fangen die Fehler an, sich zu häufen und gravierend zu werden. Wir halten unzuverlässiges Kopieren gewöhnlich für etwas Schlechtes, und was unsere menschlichen Dokumente betrifft, kann man sich in der Tat schwer ein Beispiel denken, bei dem Fehler als Verbesserungen gelten könnten. Ich denke, man kann von den Gelehrten, die die Septuaginta (die älteste griechische Übersetzung des Alten Testaments) verfaßt haben, zumindest sagen, daß sie etwas in Gang gesetzt haben, was weite Kreise ziehen sollte, als sie das hebräische Wort für „junge Frau“ in das griechische Wort für „Jungfrau“ übersetzten und zu der Prophezeiung gelangten: „Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären ...“. 2 Wie dem auch sei, wir werden noch sehen, daß bei den biologischen Replikatoren fehlerhaftes Kopieren zu realen Verbesserungen führen kann und daß eine gewisse
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