Das egoistische Gen
mit Evolution meint, wenn er von Lebewesen spricht, und der Mechanismus ist der gleiche: natürliche Auslese.
Sollten wir dann die ursprünglichen Replikatormoleküle als „lebendig“ bezeichnen? Wen kümmert das schon? Ich könnte zu jemandem sagen: „Darwin war der größte Mensch, der jemals gelebt hat“, und er könnte antworten: „Nein, das war Newton“, aber ich hoffe, wir würden die Diskussion nicht fortsetzen. Tatsache ist, daß unsere Diskussion, wie auch immer sie ausginge, nichts Wesentliches ändern würde. Die Fakten in bezug auf Leben und Leistung von Newton und Darwin bleiben völlig unverändert davon, ob wir sie „groß“ nennen oder nicht.
Gleichermaßen hat sich die Geschichte der Replikatormoleküle wahrscheinlich ungefähr so abgespielt, wie ich sie schildere, ohne Rücksicht darauf, ob wir beschließen, diese Moleküle als „lebendig“ zu bezeichnen oder nicht. Wieviel menschliches Leid hat es gegeben, weil zu viele von uns nicht begreifen können, daß Worte nur Werkzeuge sind, die wir benutzen, und daß die bloße Existenz eines Wortes wie „lebendig“ in unserem Lexikon nicht zwangsläufig bedeutet, daß es sich auf etwas Bestimmtes in der realen Welt beziehen muß. Ganz gleich, ob wir die frühen Replikatoren lebendig nennen oder nicht, sie waren die Vorläufer des Lebens, sie waren unsere Stammväter!
Das nächste wichtige Glied in dem Gedankengang, eines, das Darwin selbst betonte (er sprach allerdings von Tieren und Pflanzen und nicht von Molekülen), ist die Konkurrenz.
In der Ursuppe konnte keine unbegrenzte Zahl von Replikatormolekülen existieren. Zum einen ist die Größe der Erde begrenzt, aber darüber hinaus müssen noch weitere einschränkende Faktoren wichtig gewesen sein. Bei unserem Bild des als Schablone oder Gußform fungierenden Replikators gingen wir davon aus, daß er von einer Ursuppe umgeben war, die reich an den für die Herstellung von Kopien nötigen kleinen Bausteinen war. Doch als die Zahl der Replikatoren zunahm, müssen die Bausteine mit einer derartigen Schnelligkeit aufgebraucht worden sein, daß sie zu einer seltenen und kostbaren Ressource wurden. Verschiedene Varianten oder Rassen von Replikatoren müssen um sie konkurriert haben. Wir haben die Faktoren untersucht, welche die Häufigkeit der begünstigten Replikatorarten gesteigert haben dürften. Wir erkennen nunmehr, daß die weniger begünstigten Varianten aufgrund des Wettbewerbs tatsächlich weniger häufig geworden sein müssen, und schließlich müssen viele ihrer Zweige ausgestorben sein. Unter den Replikatorvarianten spielte sich ein Kampf ums Dasein ab. Sie wußten weder, daß sie kämpften, noch machten sie sich deswegen Sorgen; der Kampf wurde ohne Feindschaft, überhaupt ohne irgendwelche Gefühle geführt. Aber sie kämpften, nämlich in dem Sinne, daß jeder Kopierfehler, dessen Ergebnis ein höheres Stabilitätsniveau war oder eine neue Möglichkeit, die Stabilität von Rivalen zu vermindern, automatisch bewahrt und vervielfacht wurde. Die Methoden zur Steigerung der eigenen Stabilität und Verminderung der Stabilität der Rivalen wurden komplizierter und wirkungsvoller. Einige der Replikatoren mögen sogar „entdeckt“ haben, wie sie die Moleküle rivalisierender Varianten chemisch aufspalten und die auf diese Weise freigesetzen Bausteine zur Herstellung ihrer eigenen Kopien benutzen konnten. Diese Protofleischfresser erhielten damit Nahrung und beseitigten zugleich Konkurrenten. Andere Replikatoren entdeckten vielleicht, wie sie sich schützen konnten, entweder chemisch oder indem sie eine Proteinwand um sich herum aufbauten. Auf diese Weise mögen die ersten lebenden Zellen entstanden sein. Die Replikatoren fingen an, nicht mehr einfach nur zu existieren, sondern für sich selbst Behälter zu konstruieren, Vehikel für ihr Fortbestehen. Es überlebten diejenigen Replikatoren, die um sich herum Überlebensmaschinen bauten. Die ersten Überlebensmaschinen bestanden wahrscheinlich aus nicht mehr als einer Schutzschicht. Aber in dem Maße, wie neue Rivalen mit besseren und wirkungsvolleren Schutzhüllen entstanden, wurde das Leben ständig schwieriger. Die Überlebensmaschinen wurden größer und perfekter, und der Vorgang war kumulativ und progressiv.
Würde der schrittweisen Verbesserung der Techniken und Kunstgriffe, welche die Replikatoren zur Sicherstellung ihres Fortbestands auf der Welt anwendeten, irgendwo ein Ende gesetzt sein? Eine Menge Zeit sollte für
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