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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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wieder andere kleine Schneckenhäuser. Aber die vielleicht eindrucksvollsten Köcher sind die aus kleinen Steinchen. Die Larve wählt die Steinchen sorgfältig aus und verschmäht die, die für das jeweilige Loch in der Wand zu groß oder zu klein sind; sie dreht und wendet sogar jeden Stein, bis er am besten eingepaßt ist.
    Warum imponiert uns dies so? Wenn wir uns zu objektivem Denken zwingen würden, wären wir von der Architektur des Auges oder Ellenbogengelenks der Köcherfliege gewiß stärker beeindruckt als von der vergleichsweise bescheidenen Architektur ihres Steinhauses. Schließlich sind sowohl Auge als auch Ellenbogengelenk weitaus komplizierter und „besser entworfen“ als das Gehäuse. Doch unlogischerweise beeindruckt uns dieses mehr – vielleicht weil Auge und Ellenbogengelenk sich auf dieselbe Weise entwickeln wie unsere eigenen Augen und Ellenbogen und wir uns diesen im Innern unserer Mütter stattfindenden Prozeß nicht als Verdienst anrechnen können.
    Nachdem ich schon so weit vom Thema abgewichen bin, kann ich der Versuchung nicht widerstehen, noch ein wenig weiterzugehen. Sosehr uns das Gehäuse der Köcherfliegenlarve auch imponieren mag, sind wir davon paradoxerweise doch weniger beeindruckt, als wir es von gleichwertigen Leistungen anderer Tiere wären, die uns selbst näherstehen. Stellen wir uns nur vor, welch balkenartige Schlagzeilen es gäbe, wenn ein Meeresbiologe eine Delphinart entdecken würde, die große, kompliziert vermaschte Fischernetze mit einem Durchmesser von zwanzig Delphinlängen webt! Doch ein Spinnennetz halten wir für etwas Selbstverständliches, es ist für uns eher ein Ärgernis im Haus als eines der Wunder der Welt. Und stellen wir uns nur den Wirbel vor, wenn Jane Goodall vom Gombestrom zurückkehrte mit Fotografien von wilden Schimpansen, die ihre eigenen Häuser bauen, mit ordentlichem Dach und gut isoliert, aus sorgfältig ausgewählten Steinen sauber zusammengesetzt und mit Mörtel befestigt! Doch die Larven von Köcherfliegen, die genau dies tun, gewinnen uns nur vorübergehendes Interesse ab. Es wird manchmal gesagt, als wollte man dieses Messen mit zweierlei Maß verteidigen, daß Spinnen und Köcherfliegen ihre Meisterleistungen der Architektur durch „Instinkt“ erzielen. Na und? In gewisser Weise macht sie das nur um so eindrucksvoller.
    Kehren wir zum eigentlichen Thema zurück. Das Gehäuse der Köcherfliegenlarve, daran kann niemand zweifeln, ist eine Anpassung, die durch natürliche Selektion entstanden ist.
    Es muß von der Auslese auf ziemlich genau dieselbe Weise gefördert worden sein wie beispielsweise der harte Panzer von Hummern. Der Köcher ist eine schützende Hülle für den Körper. Als solche ist er für den ganzen Organismus und alle seine Gene von Vorteil. Aber nun haben wir uns gerade klargemacht, daß Vorteile für den Organismus nur Nebeneffekte der natürlichen Auslese sind. Entscheidend sind die Vorteile für jene Gene, die der Schale ihre schützenden Eigenschaften verleihen. Im Fall des Hummers ist dies die alte Geschichte. Der Panzer des Hummers ist offensichtlich ein Teil seines Körpers.
    Wie sieht es nun aber mit dem Gehäuse der Köcherfliege aus?
    Die natürliche Auslese begünstigte bei den Vorfahren der Köcherfliegen jene Gene, die ihre Besitzer dazu veranlaßten, brauchbare Gehäuse zu bauen. Die Gene wirkten auf das Verhalten, vermutlich indem sie die Embryonalentwicklung des Nervensystems beeinflußten. Für einen mit Köcherfliegen befaßten Genetiker wäre jedoch nur der Effekt der Gene auf die Form und andere Eigenschaften der Gehäuse tatsächlich sichtbar. Der Genetiker sollte in genau demselben Sinne Gene „für“ die Gehäuseform finden können, wie es Gene für, sagen wir einmal, die Beinform gibt. Zugegebenermaßen hat sich bisher niemand mit dem genetischen Hintergrund des Gehäusebaus bei Köcherfliegen beschäftigt. Für solche Untersuchungen brauchte man sorgfältig geführte Abstammungsregister von in Gefangenschaft gezüchteten Köcherfliegen, und die Zucht dieser Insekten ist schwierig. Aber man braucht nicht Genetik studiert zu haben, um sicher zu sein, daß es Gene gibt oder zumindest gab, die die Form der Köcher beeinflußt haben. Wir brauchen lediglich einen guten Grund, um zu glauben, daß die Gehäuse von Köcherfliegen eine evolutionäre Anpassung sind.
    Wenn das so ist, muß es Gene gegeben haben, die die Variation der Gehäuse verursachten, denn die Auslese kann keine Anpassungen

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