Das egoistische Gen
in großen gemeinsamen Überlebensmaschinen oder „Vehikeln“ zusammen. Die Vehikel, die wir am besten kennen, sind individuelle Körper wie unsere eigenen. Ein Körper ist somit kein Replikator; er ist ein Vehikel. Ich muß dies betonen, da dieser Punkt mißverstanden worden ist. Vehikel machen keine Kopien von sich selbst; sie arbeiten, um ihre Replikatoren zu vermehren. Replikatoren verhalten sich nicht, sie nehmen die Welt nicht wahr, fangen keine Beute und laufen auch nicht vor Räubern davon; sie konstruieren Vehikel, die alle diese Dinge tun. Für viele Zwecke ist es für die Biologen sinnvoll, ihre Aufmerksamkeit auf die Ebene des Vehikels zu konzentrieren, für andere Zwecke ist eine Betrachtung auf der Ebene des Replikators angebracht. Gen und Einzelorganismus sind keine Rivalen um dieselbe Starrolle im Darwinschen Drama. Sie spielen unterschiedliche, sich ergänzende und in vielen Beziehungen gleich wichtige Rollen – die Rolle des Replikators und die Rolle des Vehikels.
Die Replikator/Vehikel-Terminologie ist auf mehrerlei Art hilfreich. Zum Beispiel legt sie eine lästige Kontroverse über die Ebene bei, auf der die natürliche Auslese agiert. Oberflächlich betrachtet mag es logisch erscheinen, auf einer Art Skala der Selektionsniveaus die „Individualselektion“ auf halbem Wege zwischen der Genselektion, die ich in Kapitel 3 verfochten habe, und der in Kapitel 7 kritisierten „Gruppenselektion“ anzusiedeln. Die „Individualselektion“ scheint vage ein Mittelding zwischen zwei Extremen zu sein, und viele Biologen und Philosophen haben sich dazu verführen lassen, diesen einfachen Weg einzuschlagen und sie als solches zu behandeln.
Wie wir nun erkennen können, ist diese Sichtweise falsch. Der Organismus und die Gruppe von Organismen sind zwar echte Rivalen um die Vehikelrolle in der Geschichte, doch kommt keiner von ihnen auch nur als Kandidat für die Rolle des Replikators in Frage. Die Kontroverse zwischen „Individualselektion“ und „Gruppenselektion“ ist eine echte Kontroverse zwischen alternativen Vehikeln. Die Kontroverse zwischen Individualselektion und Genselektion ist überhaupt keine Kontroverse, denn Gen und Organismus sind Kandidaten für unterschiedliche, sogar komplementäre Rollen in der Geschichte: Replikator und Vehikel.
Die Rivalität um die Vehikelrolle zwischen dem Einzelorganismus und der Gruppe von Organismen, die eine echte Rivalität ist, kann beigelegt werden. Das Ergebnis ist in meinen Augen entschieden ein Sieg für den Einzelorganismus. Die Gruppe ist als Einheit zu ungenau. Ein Rudel von Hirschen, Löwen oder Wölfen besitzt einen rudimentären Zusammenhalt und eine gewisse Einheit der Absicht. Doch dies ist jämmerlich im Vergleich zum Zusammenhalt und zur Einheit der Absicht, die der Körper eines einzelnen Löwen, Wolfes oder Hirsches aufweist. Daß dies zutrifft, ist inzwischen weithin akzeptiert, aber warum trifft es zu? Erweiterte Phänotypen und Parasiten können uns auch hier weiterhelfen.
Wenn die zusammenarbeitenden Gene eines Parasiten gegen die Interessen der (ebenfalls zusammenarbeitenden) Gene des Wirtes wirken, liegt der Grund dafür, wie wir gesehen haben, in der Tatsache, daß die beiden Gruppen von Genen das gemeinsame Vehikel, den Körper des Wirtes, auf unterschiedliche Weise verlassen. Schneckengene verlassen das gemeinsame Vehikel auf dem Weg über Schneckenspermien und -eier.
Da der Einsatz aller Schneckengene in jedem Spermium und jedem Ei gleich ist, da sie alle an der unparteiischen Meiose teilnehmen, arbeiten alle für das gemeinsame Wohl zusammen und machen daher den Schneckenkörper gewöhnlich zu einem einheitlichen, zweckmäßigen Vehikel. Der wirkliche Grund, warum ein Saugwurm von seinem Wirt erkennbar getrennt ist, der Grund, warum er seine Absichten und seine Identität nicht mit den Absichten und der Identität des Wirtes verschmelzen läßt, ist, daß die Saugwurmgene nicht dieselbe Methode benutzen, um das gemeinsame Vehikel zu verlassen wie die Schneckengene, und daß sie nicht an der meiotischen Lotterie der Schnecke beteiligt sind – sie haben ihre eigene Lotterie.
Daher bleiben, in diesem Maße und nur in diesem Maße, die beiden Vehikel getrennt als eine Schnecke und ein erkennbar eigenständiger Saugwurm in ihrem Innern. Würden Saugwurmgene in Schneckeneiern und -spermien weitergegeben, so würde die Evolution die beiden Körper zu einem Fleisch werden lassen. Möglicherweise wären wir nicht einmal in
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