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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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reichen Nahrungsstrom aus einem ausgedehnten Sammelgebiet in eine zentrale Vorratskammer, die ein lohnendes Ziel für Schnorrer darstellt.
    Ameisen sind außerdem gute Schutzpolizisten: Sie sind gut bewaffnet und zahlreich. Die Blattläuse aus Kapitel 10 zahlten, wie wir sahen, mit Nektar, um professionelle Leibwächter zu mieten. Mehrere Schmetterlingsarten verbringen ihr Raupenstadium in einem Ameisennest. Einige sind nichts als Plünderer. Andere bieten den Ameisen eine Belohnung dafür, daß diese sie beschützen. Häufig strotzen sie buchstäblich von Mechanismen zur Manipulation ihrer Beschützer. Die Raupe eines Schmetterlings namens Thisbe irenea   besitzt ein lauterzeugendes Organ im Kopf, mit dem sie Ameisen herbeiruft, sowie ein Paar teleskopartige Röhren an ihrem Hinterteil, aus denen verführerischer Nektar ausgeschieden wird. Auf ihren Schultern steht ein weiteres Paar Röhren, die einen noch subtileren Zauber verbreiten. Ihr Sekret scheint keine Nahrung zu sein, sondern ein flüchtiger Zaubertrank, der einen dramatischen Einfluß auf das Verhalten der Ameisen hat. Eine Ameise, die unter diesen Einfluß gerät, springt glatt in die Luft. Ihre Kiefer öffnen sich weit, und sie wird aggressiv – bei weitem begieriger als gewöhnlich, jedes sich bewegende Objekt anzugreifen, es zu beißen und mit Ameisensäure zu bespritzen. Nur die Raupe nicht, die für den Rausch der Ameise verantwortlich ist! Darüber hinaus gerät eine Ameise unter der Kontrolle einer rauschmittelverströmenden Raupe schließlich in einen Zustand, den man „Bindung“ nennt, in dem sie für einen Zeitraum von vielen Tagen von ihrer Raupe unzertrennlich wird. Wie eine Blattlaus beschäftigt die Raupe dann Ameisen als Leibwächter, aber sie geht noch einen Schritt weiter.
    Während die Blattläuse sich auf die normale Aggressivität der Ameisen gegen Räuber verlassen, gibt die Raupe ihnen eine die Aggressivität steigernde Droge ein, und sie scheint ihnen außerdem noch eine süchtig machende Substanz mit zu verabreichen.
    Ich habe extreme Beispiele ausgewählt. Doch von Tieren und Pflanzen, die andere Tiere und Pflanzen ihrer eigenen Art oder anderer Arten auf etwas maßvollere Weise manipulieren, wimmelt es in der Natur nur so. In allen Fällen, in denen die natürliche Auslese Gene für Manipulation gefördert hat, ist es berechtigt, davon zu sprechen, daß diese Gene (erweiterte phänotypische) Effekte auf den Körper der manipulierten Organismen haben. Es kommt nicht darauf an, in welchem Körper ein Gen sitzt. Das Ziel seiner Manipulation kann derselbe Körper sein oder ein anderer. Die natürliche Auslese fördert jene Gene, die die Welt manipulieren, um ihre eigene Fortpflanzung zu garantieren. Dies führt zu der These, die ich das Zentrale Theorem des erweiterten Phänotyps genannt habe: Das Verhalten eines Tieres tendiert dahin, das Überleben von Genen „für“ ein spezielles Verhalten zu maximieren, unabhängig davon, ob jene Gene zufällig im Körper eben dieses Tieres sitzen oder nicht.   Ich habe dies im Zusammenhang mit dem Verhalten von Tieren geschrieben, aber das Theorem könnte natürlich auch auf Farbe, Größe, Form und alles andere zutreffen. Es ist endlich an der Zeit, zu dem Problem zurückzukehren, mit dem wir begonnen haben: dem Konflikt zwischen einzelnem Organismus und Gen als rivalisierenden Kandidaten für die zentrale Rolle in der natürlichen Auslese. In früheren Kapiteln ging ich von der Annahme aus, es gebe kein Problem, weil die Reproduktion des Individuums gleichbedeutend mit dem Überleben der Gene sei. Ich setzte voraus, daß man entweder sagen kann „Der Organismus arbeitet darauf hin, alle seine Gene weiterzugeben“ oder „Die Gene arbeiten daraufhin, Organismen aufeinanderfolgender Generationen zu zwingen, sie weiterzugeben.“ Es schien mir, als seien dies zwei gleichwertige Arten, dasselbe zu sagen, und welche Form man wählt, sei lediglich eine Frage des Geschmacks. Aber irgendwie blieb der Konflikt bestehen.
    Eine Methode, diese ganze Angelegenheit zu entwirren, besteht darin, daß man die Ausdrücke „Replikator“ und „Vehikel“ benutzt. Die Grundeinheiten der natürlichen Auslese, die grundlegenden Agenzien, die überleben oder nicht überleben, die Ahnenreihen identischer Kopien mit gelegentlich auftretenden Zufallsmutationen bilden, heißen Replikatoren. DNA-Moleküle sind Replikatoren. Aus Gründen, auf die wir noch zu sprechen kommen werden, tun sie sich im allgemeinen

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