Das egoistische Gen
des Kuckucksrachens haben, können wir auch davon sprechen, daß Kuckucksgene (erweiterte phänotypische) Wirkungen auf das Wirtsverhalten haben. Parasitengene können nicht nur dann Auswirkungen auf Wirtskörper haben, wenn der Parasit im Innern des Wirtes lebt, wo er ihn unmittelbar durch chemische Mittel manipulieren kann, sondern auch dann, wenn der Parasit völlig vom Wirt getrennt ist und ihn aus der Entfernung manipuliert. In der Tat können, wie wir gleich sehen werden, sogar chemische Einflüsse außerhalb des Körpers wirksam sein.
Kuckucke sind bemerkenswerte und lehrreiche Geschöpfe.
Aber nahezu jedes Wunder bei den Wirbeltieren kann von den Insekten übertroffen werden. Sie haben den Vorteil, daß es einfach so viele von ihnen gibt; mein Kollege Robert May hat sehr passend bemerkt: „Es ist eine gute Näherung zu sagen, daß alle Tierarten Insekten sind.“ Die „Kuckucke“ bei den Insekten lassen sich unmöglich aufzählen; sie sind zu zahlreich, und ihre Verhaltensweise ist sehr oft neu erfunden worden. Einige Beispiele, mit denen wir uns befassen werden, gehen weit über das bekannte Kuckucksverhalten hinaus und erfüllen die wildesten Phantasien, die mein Buch The Extended Phenotype geweckt haben mag.
Ein echter Kuckuck legt sein Ei und verschwindet. Einige „Kuckucksweibchen“ bei den Ameisen machen auf dramatischere Weise auf sich aufmerksam. Ich nenne nicht oft lateinische Namen, aber Bothriomyrmex regicidus und B. decapitans sind wirklich bemerkenswert. Diese beiden Arten leben als Parasiten anderer Ameisenarten. Bei allen Ameisen werden die Jungen natürlich normalerweise nicht von ihren Eltern, sondern von Arbeiterinnen gefüttert. Somit sind es die Arbeiterinnen, die jeder Möchtegern-Kuckuck betrügen oder manipulieren muß. Ein nützlicher erster Schritt ist es, sich der echten Königin der Arbeiterinnen zu entledigen, da diese darauf programmiert ist, ständig konkurrierende Brut zu erzeugen. Bei diesen beiden Arten schleicht sich die Parasitenkönigin ganz allein in das Nest einer anderen Ameisenart. Sie sucht sich die Wirtskönigin heraus und läßt sich von ihr herumtragen, während sie still und leise, um Edward Wilsons gewandt-makabres Understatement zu zitieren, „den einzigen Akt vollbringt, für den sie so einzigartig spezialisiert ist: Sie schneidet langsam den Kopf ihres Opfers ab“. Die Mörderin wird dann von den verwaisten Arbeiterinnen adoptiert, und diese pflegen nun ihre Eier und Larven, ohne Verdacht zu schöpfen. Einige Nachkommen werden selbst zu Arbeiterinnen aufgezogen, die allmählich die ursprüngliche Art im Nest ersetzen. Andere werden zu Königinnen, die ausfliegen, um neue Weidegründe und noch nicht abgetrennte königliche Häupter zu suchen.
Aber Köpfe absägen ist eine nicht ganz leichte Arbeit. Parasiten sind nicht daran gewöhnt, sich anzustrengen, wenn sie gute Beziehungen erzwingen können. Die Figur, die mir in Wilsons Buch The Insect Societies am liebsten ist, ist Monomorium santschii. Diese Art hat im Verlauf der Evolution ihre Arbeiterinnenkaste gänzlich verloren. Die Arbeiterinnen der Wirtsart erledigen alle Arbeiten für ihre Parasiten und erfüllen sogar die schrecklichste aller Aufgaben. Auf Befehl der Invasorenkönigin ermorden sie tatsächlich ihre eigene Mutter. Die Usurpatorin braucht nicht einmal ihre eigenen Kiefer zu gebrauchen. Auf welche Weise sie das Verhalten der Wirtsart kontrolliert, ist ein Rätsel; vermutlich verwendet sie eine Chemikalie, denn die Nervensysteme der Ameisen sprechen generell stark auf chemische Reize an. Wenn ihre Waffe tatsächlich eine Chemikalie ist, dann ist diese heimtückischer als jede Droge, die die Wissenschaft kennt. Denn überlegen wir nur, was sie vollbringt. Sie überflutet das Gehirn der Arbeiterin, ergreift die Zügel ihrer Muskeln, drängt sie, tief verwurzelte Pflichten zu vernachlässigen, und wendet sie gegen ihre eigene Mutter.
Für Ameisen ist Muttermord eine Tat von besonderem genetischem Irrsinn, und furchtbar muß die Droge sein, die sie dazu treibt. In der Welt des erweiterten Phänotyps frage man nicht danach, wie das Verhalten eines Tieres seinen Genen zum Vorteil gereicht; man frage statt dessen, wessen Genen es zum Vorteil gereicht.
Es ist kaum überraschend, daß Ameisen von Parasiten ausgebeutet werden, nicht nur von anderen Ameisen, sondern auch von einer erstaunlichen Menagerie spezialisierter „Mitläufer“.
Arbeiterameisen transportieren einen
Weitere Kostenlose Bücher