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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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Stücke seiner selbst abstößt, die immer aus einzelnen Zellen bestehen.
    Wenn wir uns diese beiden Arten von Pflanzen vorstellen, legen wir den Finger auf den entscheidenden Unterschied zwischen Lebenszyklen mit und ohne Engpaß. Engpaßtang pflanzt sich fort, indem er sich in jeder Generation durch einen einzelligen Engpaß zwängt. Wucheralgen wachsen einfach und brechen in zwei Stücke auseinander. Man kann kaum sagen, daß diese Art genau definierte Generationen besitzt oder daß sie überhaupt aus getrennten „Organismen“ besteht. Wie sieht es mit Engpaßtang aus? Ich werde es gleich ausführlich erklären, aber wir ahnen schon, wie die Antwort aussehen wird. Wirkt Engpaßtang nicht bereits mehr wie eine Art, bei der man von Einzelorganismen sprechen kann?
    Wucheralgen reproduzieren sich, wie wir gesehen haben, auf dieselbe Weise, wie sie auch wachsen. Genaugenommen ist „reproduzieren“ kaum das richtige Wort. Bei Engpaßtang dagegen existiert eine deutliche Trennung zwischen Wachstum und Reproduktion. Wir sind jetzt vielleicht dem Unterschied auf die Spur gekommen, aber was nun? Was bedeutet das?
    Warum ist es wichtig? Ich habe lange Zeit darüber nachgedacht, und ich glaube, ich weiß die Antwort. (Nebenbei gesagt war es schwieriger, überhaupt herauszufinden, daß es eine Frage gab, als auf die Antwort zu kommen!) Ich kann die Antwort in drei Teile zerlegen, von denen die ersten beiden mit der Beziehung zwischen Evolution und Embryonalentwicklung zu tun haben.
    Denken wir zuerst über das Problem nach, auf welche Weise aus einem einfacheren Organ durch Evolution ein kompliziertes Organ entsteht. Wir brauchen dafür nicht bei den Pflanzen zu bleiben, und für diese Phase der Argumentation könnte es sogar besser sein, auf die Tiere überzuschwenken, denn sie haben mehr offensichtlich komplizierte Organe. Wieder ist es nicht nötig, an sexuelle Vermehrung zu denken; die Unterscheidung zwischen geschlechtlicher und ungeschlechtlicher Fortpflanzung ist hier nur irreführend. Wir können uns vorstellen, daß unsere Tiere sich vermehren, indem sie asexuelle Sporen aussenden, einzelne Zellen, die, sieht man von Mutationen ab, untereinander sowie mit allen anderen Zellen des Körpers genetisch identisch sind.
    Die komplizierten Organe eines höher entwickelten Tieres, etwa eines Menschen oder einer Assel, haben sich Schritt für Schritt durch Evolution aus einfacheren Organen der Vorfahren dieses Tieres entwickelt. Aber die Organe der Vorfahren „verwandelten“ sich nicht buchstäblich in die Organe der Nachkommen, wie Schwerter, die zu Pflugscharen umgeschmiedet werden. Nicht nur taten   sie dies nicht: Worauf ich hinauswill, ist, daß sie es in den meisten Fällen auch gar nicht konnten.   Durch unmittelbare Transformation der Art „Schwerter zu Pflugscharen“ kann nur ein begrenzter Grad an Veränderung erzielt werden. Wirklich radikale Veränderungen sind nur durch ein „Zurückgehen ans Zeichenbrett“ zu erreichen, bei dem der vorherige Entwurf verworfen wird und man neu anfängt. Wenn Ingenieure ans Zeichenbrett zurückkehren und einen neuen Entwurf schaffen, verwerfen sie nicht unbedingt die Ideen des alten Entwurfs. Aber sie versuchen auch nicht, das reale alte Objekt in ein neues umzuformen. Das alte Objekt ist vom Konzept her zu sehr durch die Geschichte seiner Entwicklung geprägt. Vielleicht läßt sich ja aus einem Schwert eine Pflugschar schmieden, aber man versuche einmal, eine Propellermaschine in einen Düsenmotor „umzuschmieden“!
    Das geht nicht. Man muß die Propellermaschine ausrangieren und an den Zeichentisch zurückkehren.
    Lebewesen sind natürlich niemals am Zeichentisch entworfen worden. Aber sie gehen auf Neuanfänge zurück. Sie beginnen in jeder Generation von vorn. Jeder Organismus beginnt als einzelne Zelle und wächst neu. Er erbt die Ideen   des Entwurfs seiner Ahnen in Form des DNA-Programms, aber nicht die physischen Organe seiner Vorfahren. Er erbt nicht das Herz seines Elters und formt daraus ein neues (und möglicherweise verbessertes) Herz. Er beginnt völlig neu, als einzelne Zelle, und läßt ein neues Herz wachsen, wobei er dasselbe Entwurfsprogramm benutzt wie sein Elter für dessen Herz, dem nun Verbesserungen hinzugefügt werden können. Wir sehen, auf welche Schlußfolgerung ich abziele. Ein wichtiges Merkmal eines Lebenszyklus mit „Engpaß“ ist, daß er etwas möglich macht, das gleichbedeutend ist mit einem Zurückkehren ans Zeichenbrett.
    Ein

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