Das egoistische Gen
sind für ihre gesamte Lebenszeit spezialisiert. Bei Vögeln und Säugetieren, die am Nest helfen, ist es anders. Jedes Individuum verbringt einen Teil seines Lebens (gewöhnlich die erste Fortpflanzungsperiode, die es als ausgewachsenes Tier erlebt, mitunter auch die ersten beiden) als „Arbeiter“, der dabei hilft, jüngere Brüder und Schwestern großzuziehen, während er für den verbleibenden Teil seines Lebens darauf hinstrebt, „Geschlechtstier“ zu sein.
Wie sieht es mit den Nacktmullen aus der vorigen Anmerkung aus? Sie sind ein perfektes Beispiel für das Prinzip des „gutgehenden Unternehmens“ oder „hohlen Baumes“, obwohl ihr gutgehendes Unternehmen nicht wortwörtlich einen hohlen Baum betrifft. Der Schlüssel zu ihrer Geschichte ist wahrscheinlich die ungleichmäßige Verteilung ihrer Nahrung im Savannenboden. Sie ernähren sich hauptsächlich von unterirdischen Wurzelknollen. Diese Knollen können sehr groß sein und sehr tief liegen. Eine einzige Knolle einer solchen Spezies kann mehr wiegen als 1000 Nacktmulle und, wenn sie einmal gefunden ist, die Kolonie monate- oder sogar jahrelang ernähren. Das Problem besteht darin, die Knollen zu finden, denn sie sind unregelmäßig und sporadisch über die ganze Savanne verstreut. Die Nahrung der Nacktmulle ist also schwer zu finden, aber aller Mühe wert, wenn sie erst einmal gefunden ist. Robert Brett hat ausgerechnet, daß ein einzelner Nacktmull, der allein arbeitet, so lange suchen müßte, um eine einzige Knolle zu finden, daß er seine Zähne beim Graben restlos abnutzen würde. Eine große Kolonie, mit ihren kilometerlangen, eifrig patroullierten Gängen, ist ein ergiebiges Knollenbergwerk. Jedem Individuum geht es ökonomisch besser, wenn es Teil einer Gemeinschaft von Bergleuten ist.
Ein ausgedehntes Gangsystem, mit Dutzenden von kooperierenden Arbeitern bemannt, ist also ebenso ein funktionierender Betrieb wie unser hypothetischer „hohler Baum“, nur in noch stärkerem Maße! Vorausgesetzt, daß wir erstens in einem blühenden kommunalen Labyrinth leben und daß zweitens unsere Mutter darin immer noch leibliche Brüder und Schwestern erzeugt, wird der Anreiz, zu gehen und eine eigene Familie zu gründen, in der Tat sehr klein. Selbst wenn einige der Jungtiere nur Halbgeschwister sind, kann das Argument des „gut funktionierenden Unternehmens“ noch mächtig genug sein, um junge Erwachsene zu Hause zurückzuhalten.
3 Richard Alexander und Paul Sherman schrieben einen Beitrag, in dem sie die Methoden und Schlußfolgerungen von Trivers und Hare kritisierten. Zwar stimmten sie ihnen zu, daß zugunsten der Weibchen beeinflußte Geschlechterverhältnisse bei sozialen Insekten normal sind, zogen aber die Behauptung in Zweifel, daß diese dem Verhältnis drei zu eins sehr nahekommen. Sie zogen eine andere Erklärung für die Geschlechterverteilung zugunsten der Weibchen vor, die wie die von Trivers und Hare ursprünglich von Hamilton stammt. Ich finde Alexanders und Shermans Beweisführung recht überzeugend, bekenne mich aber zu dem instinktiven Gefühl, daß ein derart schönes Stück Arbeit wie das von Trivers und Hare nicht ganz falsch sein kann. Alan Grafen machte mich in bezug auf meine Darstellung der Geschlechterverhältnisse bei Hautflüglern in der ersten Auflage dieses Buches auf ein anderes und eher besorgniserregendes Problem aufmerksam. Ich habe seine Überlegung in meinem Buch The Extended Phenotype (Seite 75-76) erklärt. Hier ist ein kurzer Auszug:
Für die potentielle Arbeiterin ist es bei jedem beliebigen vorstellbaren Geschlechterverhältnis in der Population gleichgültig, ob sie Geschwister oder Nachkommen aufzieht. Nehmen wir daher an, das Geschlechterverhältnis sei zugunsten der Weibchen beeinflußt, nehmen wir sogar an, es entspräche dem von Trivers und Hare vorausgesagten drei zu eins. Da die Arbeiterin mit ihrerSchwester näher verwandt ist als mit ihrem Bruderoder ihren Nachkommen beiderlei Geschlechts, könnteman meinen, sie ziehe bei einem solchen, zugunstender Weibchen beeinflußten Geschlechterverhältnis „lieber“ Geschwister statt Nachkommen groß: Gewinnt sienicht vor allem wertvolle Schwestern (plus nur einigerelativ wertlose Brüder), wenn sie sich zugunsten derGeschwister entscheidet? Doch dieser Gedankengangläßt den infolge ihrer Seltenheit relativ hohen Fortpflanzungswert der Männchen in einer derartigen Population außer acht. Die Arbeiterin ist möglicherweise nicht mit jedem ihrer
Weitere Kostenlose Bücher