Das egoistische Gen
zu zeigen, daß Gene nicht die einzigen Angehörigen jener wichtigen Klasse sind.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Umwelt der menschlichen Kultur tatsächlich das besitzt, was notwendig ist, um eine Evolution im Darwinschen Sinne in Gang zu setzen. Diese Frage ist jedoch für mein Anliegen nebensächlich. Mit Kapitel 11 habe ich erreicht, was ich wollte, wenn der Leser das Buch mit dem Gefühl zuklappt, daß DNA-Moleküle nicht die einzigen Einheiten sind, an denen eine Evolution angreifen kann. Meine Absicht war es, das Gen auf seine richtige Bedeutung zurückzustutzen, und nicht, eine großartige Theorie der menschlichen Kultur zu entwerfen.
3 Die DNA ist ein sich selbst kopierendes Stück Hardware.
Jedes Stück hat eine spezifische Struktur, die sich von der rivalisierender DNA-Stücke unterscheidet. Wenn Meme in Gehirnen den Genen vergleichbar sind, so müssen sie sich selbst kopierende Gehirnstrukturen sein, konkrete Muster neuronaler Vernetzung, die sich in einem Gehirn nach dem anderen ausbilden. Ich habe mich niemals sehr wohl dabei gefühlt, dies laut zu erklären, denn wir wissen sehr viel weniger über das Gehirn als über Gene und drücken uns daher notwendigerweise vage darüber aus, was eine solche Gehirnstruktur wirklich sein könnte. Daher war ich erleichtert, als ich vor kurzem eine sehr interessante Veröffentlichung von Juan Delius von der Universität Konstanz erhielt. Im Gegensatz zu mir braucht Delius sich nicht unwohl zu fühlen, denn er ist ein hervorragender Gehirnforscher, wohingegen ich überhaupt kein Gehirnspezialist bin. Ich bin daher begeistert darüber, daß er so mutig ist, diesen Punkt zu verdeutlichen, indem er tatsächlich ein detailliertes Bild davon veröffentlicht, wie die neuronale Hardware eines Mems aussehen könnte. Zu den sonstigen interessanten Dingen, die er tut, gehört die Erforschung – und dabei geht er sehr viel tiefer, als ich es tat – der Vergleichbarkeit von Memen mit Parasiten, genauer gesagt mit dem Spektrum, auf dem bösartige Parasiten das eine Extrem darstellen und wohltuende „Symbionten“ das andere. Ich bin von diesem Thema besonders angetan, weil ich selbst an den „erweiterten phänotypischen“ Effekten parasitärer Gene auf das Wirtsverhalten interessiert bin (siehe Kapitel 13 dieses Buches und besonders Kapitel 12 meines Buches The Extended Phenotype ). Nebenbei gesagt betont Delius den Unterschied zwischen Memen und ihren („phänotypischen“) Effekten. Außerdem weist er nochmals auf die Bedeutung von koadaptierten Memkomplexen hin, in denen die Meme entsprechend ihrer wechselseitigen Kompatibilität selektiert werden.
4 Mit dem schottischen Volkslied Auld Lang Syne (Die gute alte Zeit) habe ich unabsichtlich ein besonders brauchbares Beispiel gewählt. Es wird nämlich fast überall mit einem Fehler, einer Mutation, wiedergegeben. Als Refrain hört man heute so gut wie immer „for the sake of auld lang syne“, während der Text von Burns ursprünglich lautet „for auld lang syne“.
Ein membewußter Darwinist stellt sich unverzüglich die Frage nach dem „Überlebenswert“ der eingefügten Phrase „the sake of“ (um ... willen). Denken wir daran, daß wir nicht nach einer Art und Weise suchen, wie die Menschen besser überlebt haben mögen, indem sie das Lied in veränderter Form sangen. Wir möchten herausfinden, auf welche Art die Änderung selbst gut abgeschnitten hat, was ihr Überleben im Mempool betrifft.
Jeder lernt das Lied in seiner Kindheit, nicht indem er den Text von Burns liest, sondern weil er hört, wie es am Silvesterabend gesungen wird. Vor langer Zeit sangen alle vermutlich die richtigen Worte. „ For the sake of“ muß als eine seltene Mutation entstanden sein. Unsere Frage lautet: Warum hat die anfänglich seltene Mutation sich so hartnäckig ausgebreitet, daß sie heute im Mempool zur Norm geworden ist?
Ich glaube, wir brauchen nicht lange nach der Antwort zu suchen. Der Zischlaut "S" ist bekanntlich besonders durchdringend. Kirchenchöre werden darauf gedrillt, das stimmlose s so leicht wie möglich auszusprechen, damit nicht die ganze Kirche vom Zischen widerhallt. Von einem leise sprechenden Priester am Altar einer großen Kathedrale hört man hinten im Kirchenschiff manchmal nur ein sporadisches Zischen – die S-Laute. Der andere Konsonant in sake, das k, ist fast ebenso durchdringend. Stellen wir uns vor, daß neunzehn Leute korrekt „for auld lang syne“ singen, während eine einzige
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