Das egoistische Gen
scheint im subjektiven Bewußtsein ihren Höhepunkt erreicht zu haben. Warum dies geschehen sein mag, stellt für mich das unergründlichste Rätsel dar, dem sich die moderne Biologie gegenübersieht. Es gibt keinerlei Grund zu der Annahme, elektronische Rechenmaschinen seien sich dessen bewußt, daß sie simulieren, wir müssen allerdings zugeben, daß sich dies in Zukunft ändern könnte. Vielleicht entsteht Bewußtsein dann, wenn das Gehirn die Welt so vollständig simuliert, daß diese Simulation ein Modell ihrer selbst enthalten muß. 4 Es liegt auf der Hand, daß Glieder und Körper einer Überlebensmaschine einen wichtigen Teil der simulierten Welt dieser Überlebensmaschine darstellen müssen; vermutlich ließe sich aus einem ähnlich gearteten Grund die Simulation selbst als Teil der zu simulierenden Welt ansehen. Ein anderer Ausdruck dafür wäre vielleicht in der Tat „Sich-seiner-selbst-bewußt-sein“, aber ich glaube nicht, daß dies eine völlig befriedigende Erklärung für die Evolution des Bewußtseins darstellt, und dies nur zum Teil deshalb, weil es eine unendliche Regression in sich schließt – wenn es ein Modell vom Modell gibt, warum dann nicht ein Modell vom Modell des Modells ...?
Welches auch immer die philosophischen Probleme sein mögen, die das Bewußtsein aufwirft, für unsere Betrachtungen ist die Vorstellung zweckdienlich, es sei der Höhepunkt eines evolutionären Trends zur Emanzipation der Überlebensmaschinen als der ausführenden Entscheidungsträger von ihren heimlichen Gebietern, den Genen. Das Gehirn ist nicht nur für das tagtägliche Abwickeln der Angelegenheiten der Überlebensmaschine verantwortlich, es hat darüber hinaus die Fähigkeit erworben, die Zukunft vorauszusagen und entsprechend zu handeln. Es verleiht der Überlebensmaschine sogar die Macht, gegen das Diktat der Gene zu rebellieren, beispielsweise indem sie sich weigert, so viele Kinder zu haben, wie sie könnte. Doch in dieser Beziehung ist der Mensch ein sehr spezieller Fall, wie wir noch sehen werden.
Was hat das alles mit Altruismus und Egoismus zu tun?
Ich versuche den Gedanken zu konstruieren, daß das tierische Verhalten, ob selbstlos oder eigennützig, nur mittelbar der – dennoch sehr machtvollen – Kontrolle der Gene unterliegt. Dadurch, daß die Gene diktieren, auf welche Weise die Überlebensmaschinen und ihre Nervensysteme gebaut werden, üben sie die entscheidende Macht über das Verhalten aus. Aber die von einem Augenblick zum anderen zu treffenden Entscheidungen über das, was als nächstes zu tun ist, trifft das Nervensystem. Die Gene entscheiden im wesentlichen über die Taktik, die der Körper anzuwenden hat, das Gehirn ist das ausführende Organ. Doch in dem Maße, wie das Gehirn einen immer höheren Entwicklungsstand erreichte, übernahm es einen ständig größeren Teil der eigentlich taktischen Entscheidungen, wobei es Kunstgriffe wie Lernen und Simulation anwandte. Der logische Abschluß dieses Trends, der bisher noch bei keiner Art erreicht worden ist, wäre der, daß die Gene der Überlebensmaschine lediglich eine einzige umfassende taktische Anweisung geben: Tu das, was auch immer es sein mag, von dem du meinst, daß es für unseren Fortbestand am besten ist.
Vergleiche zwischen Computern und Menschen, die Entscheidungen treffen, sind schön und gut, aber wir müssen auf den Boden der Realität zurückkehren und uns daran erinnern, daß die Evolution in Wirklichkeit Schritt für Schritt durch die unterschiedliche Überlebensrate von Genen im Genpool stattfindet. Damit sich ein Verhaltensmuster – ob altruistisch oder eigennützig – entwickelt, ist es daher erforderlich, daß ein Gen „für“ dieses Verhalten im Genpool erfolgreicher ist als ein rivalisierendes Gen oder Allel „für“ irgendein anderes Verhalten. Mit dem Ausdruck „Gen für altruistisches Verhalten“ ist jedes Gen gemeint, das die Entwicklung des Nervensystems so beeinflußt, daß es sich mit größerer Wahrscheinlichkeit selbstlos verhält. 5 Gibt es irgendwelche experimentellen Beweise für die genetische Erblichkeit altruistischen Verhaltens? Nein, aber das ist kaum verwunderlich, da die Genetik des Verhaltens bisher wenig erforscht worden ist. Der Leser möge mir erlauben, statt dessen von der Untersuchung eines Verhaltensmusters zu berichten, das zwar zufällig nicht augenscheinlich selbstlos, aber komplex genug ist, um interessant zu sein. Wir benutzen es als Modell dafür, wie altruistisches
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