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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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umgekehrt. Zugleich aber zeigen die genetischen Experimente ebenso klar, daß sich die beiden Gene auf ihrer Reise durch die Generationen im Prinzip durchaus trennen lassen. Soweit es ihre nützliche Tätigkeit betrifft, können wir sie uns als eine zusammenarbeitende Einheit vorstellen; als replizierende Gene sind sie jedoch zwei freie und unabhängige Subjekte.
    Für die Zwecke unserer Erörterung wird es notwendig sein, über Gene „für“ das Erledigen aller möglichen unwahrscheinlichen Dinge zu spekulieren. Wenn ich beispielsweise von einem hypothetischen Gen „für das Erretten von Gefährten vor dem Ertrinken“ spreche und der Leser eine solche Vorstellung unglaubhaft findet, so möge er sich an die hygienischen Bienen erinnern. Er rufe sich ins Gedächtnis, daß wir nicht vom Gen als der einzigen vorangehenden Ursache all der komplexen Muskelkontraktionen, Sinnesempfindungen und sogar bewußten Entscheidungen sprechen, die ins Spiel kommen, wenn ein Individuum ein anderes vor dem Ertrinken rettet.
    Wir machen keine Aussage über die Frage, ob Lernen, Erfahrung oder Umwelteinflüsse in die Entwicklung des Verhaltens eingehen. Der Leser braucht lediglich einzuräumen, daß unter sonst gleichen Bedingungen und in Anwesenheit zahlreicher anderer wichtiger Gene und Umweltfaktoren ein einzelnes Gen dafür verantwortlich sein kann, daß ein Körper mit größerer Wahrscheinlichkeit einen anderen vor dem Ertrinken rettet, als er das unter dem Einfluß seines Allels tun würde. Der Unterschied zwischen den beiden Genen mag sich im Grunde als eine geringfügige Verschiedenheit bei einer einfachen quantitativen Variablen herausstellen. Die Einzelheiten des embryonalen Entwicklungsvorgangs, so interessant sie auch sein mögen, sind für evolutionäre Überlegungen nicht relevant. Konrad Lorenz hat diese Ansicht überzeugend dargelegt.
    Die Gene sind Meisterprogrammierer, und sie programmieren um ihr Leben. Sie werden danach beurteilt, wie erfolgreich ihre Programme all den Gefahren, die das Leben ihren Überlebensmaschinen entgegensetzt, gewachsen sind; und das Urteil fällt der unbarmherzige Richter des Überlebensgerichts.
    Wir werden später noch darauf zu sprechen kommen, auf welche Weise das Überleben der Gene durch scheinbar altruistisches Verhalten gefördert werden kann. Doch die eindeutig dringlichsten Aufgaben einer Überlebensmaschine und des Gehirns, das die Entscheidungen für sie trifft, sind individuelles Überleben und individuelle Fortpflanzung. Alle Gene in der „Kolonie“ wären sich über diese Prioritäten einig. Tiere machen sich daher beträchtliche Mühe damit, Nahrung zu suchen und zu erlegen, zu verhindern, daß sie selbst erlegt und gefressen werden, Krankheiten und Unfälle zu vermeiden, sich vor ungünstigen Witterungsbedingungen zu schützen, Angehörige des anderen Geschlechts zu finden und zur Paarung zu bewegen sowie ihren Kindern Vorteile weiterzugeben, die denen ähneln, welcher sie sich selbst erfreuen. Ich führe dazu keine Beispiele an – wenn der Leser ein Beispiel sucht, so möge er nur das nächste freilebende Tier, das er sieht, sorgfältig beobachten. Eine besondere Art von Verhalten möchte ich allerdings erwähnen, weil wir uns ihm noch einmal zuwenden müssen, wenn wir auf Altruismus und Egoismus zu sprechen kommen. Dies ist das Verhalten, das man im weiteren Sinne als Kommunikation   oder Verständigung   bezeichnen   kann. 7
    Man kann sagen, daß eine Überlebensmaschine sich mit einer anderen verständigt hat, wenn sie deren Verhalten oder den Zustand ihres Nervensystems beeinflußt. Das ist zwar eine Definition, die ich nicht gern für lange Zeit zu verteidigen hätte, aber für unsere gegenwärtigen Zwecke reicht sie. Mit Einfluß meine ich einen unmittelbaren, ursächlichen Einfluß. Beispiele für Verständigung gibt es viele: den Gesang der Vögel, Frösche und Grillen, das Schwanzwedeln und Sträuben der Nacken- und Rückenhaare bei Hunden, das „Grinsen“ der Schimpansen, Gestik und Sprache der Menschen. Eine Vielzahl von Dingen, die Überlebensmaschinen tun, verbessern das Wohlergehen ihrer Gene indirekt dadurch, daß sie das Verhalten anderer Überlebensmaschinen beeinflussen. Die Tiere machen sich beträchtliche Mühe, diese Verständigung wirkungsvoll zu gestalten. Der Gesang der Vögel bezaubert eine Menschengeneration nach der anderen. Ich habe bereits den sogar noch kunstvolleren und geheimnisvolleren Gesang des Buckelwals erwähnt, mit seiner

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