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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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vorhinein mit Regeln und „Ratschlägen“ programmieren, damit er es mit so vielen eventuellen Situationen aufnehmen kann, wie sie nur „voraussehen“ können. Doch wie das Schachspiel bietet auch das Leben zu viele verschiedene Möglichkeiten, als daß sie alle vorausgesehen werden könnten. Wie der Schachprogrammierer müssen auch die Gene ihre Überlebensmaschinen nicht in spezifischen Fragen, sondern in den allgemeinen Strategien und Listen des Metiers Leben „unterweisen“. 3
    Wie J. Z. Young dargelegt hat, haben die Gene eine Aufgabe zu erfüllen, die einer Prophezeiung gleichkommt. Wenn sich ein Embryo einer Überlebensmaschine im Bau befindet, liegen die Gefahren und Probleme seines Lebens in der Zukunft.
    Wer kann vorhersagen, welche Fleischfresser hinter welchen Büschen kauern und auf ihn warten werden oder welche schnellfüßige Beute seinen Weg pfeilschnell kreuzen wird?
    Kein Prophet unter den Menschen und auch kein Gen. Dennoch lassen sich einige allgemeine Voraussagen machen. Eisbärgene können ohne großes Risiko voraussagen, daß die Zukunft ihrer ungeborenen Überlebensmaschine kalt sein wird. Sie prophezeien dies nicht gedanklich, sie denken überhaupt nicht: Sie installieren einfach ein dichtes Haarkleid, denn das haben sie bei allen vorangehenden Körpern auch gemacht, und genau deswegen gibt es sie im Genpool noch. Sie sagen außerdem voraus, daß der Boden schneebedeckt sein wird, und ihre Vorhersage drückt sich in Gestalt eines weißen und daher gut tarnenden Haarkleides aus. Würde sich das Klima der Arktis so rasch ändern, daß das Bärenbaby in eine tropische Wüste hineingeboren würde, so wären die Voraussagen der Gene falsch, und sie müßten dafür büßen: Der junge Bär würde sterben und sie mit ihm.
    Voraussagen sind in einer komplexen Welt eine unsichere Angelegenheit. Jede Entscheidung, die eine Überlebensmaschine trifft, ist ein Wagnis, und Aufgabe der Gene ist es, das Gehirn im voraus so zu programmieren, daß es im Durchschnitt Entscheidungen trifft, die sich auszahlen. Die in der Spielbank Evolution gültige Währung ist das Überleben, genauer das Überleben der Gene, doch für viele Zwecke ist das Überleben des Individuums eine vernünftige Annäherung. Geht ein Tier zum Wasserloch hinunter, um zu trinken, so vergrößert es das Risiko, von Räubern gefressen zu werden, die davon leben, daß sie in der Nähe von Wasserlöchern auf Beute lauern. Geht das Tier nicht zum Wasserloch, so wird es schließlich verdursten.
    Für was auch immer es sich entscheidet, überall lauern Gefahren, und es muß diejenige Entscheidung treffen, welche die langfristigen Überlebenschancen seiner Gene maximiert. Vielleicht ist die beste Taktik die, das Trinken so weit hinauszuschieben, bis es sehr durstig ist, dann hinzugehen und so viel zu trinken, daß es für geraume Zeit reicht. Auf diese Weise vermindert sich die Zahl der einzelnen Besuche des Wasserloches, andererseits muß es, wenn es dann endlich trinkt, lange Zeit den Kopf unten halten. Alternativ dazu liegt die beste Chance unseres Tieres vielleicht darin, daß es wenig und häufig trinkt, indem es am Wasserloch vorbeiläuft und dabei kleine Schlucke Wasser nimmt. Welches die beste Strategie in diesem Glücksspiel ist, hängt von einer ganzen Reihe komplizierter Dinge ab, nicht zuletzt von den Jagdgewohnheiten der Räuber, welche sich ihrerseits so entwickelt haben, daß sie von deren Standpunkt aus so effizient wie möglich sind. Auf irgendeine Weise muß ein Abwägen der Chancen stattfinden. Aber selbstverständlich brauchen wir uns nicht vorzustellen, daß die Tiere ihre Berechnungen bewußt anstellen. Wir brauchen lediglich anzunehmen, daß Individuen, deren Gene ein Gehirn so bauen, daß es gewöhnlich die richtige Entscheidung trifft, als unmittelbare Folge dessen mit größerer Wahrscheinlichkeit überleben, und daß somit eben jene Gene weitervererbt werden.
    Wir können den Vergleich mit dem Glücksspiel noch ein wenig weiterführen. Ein Spieler muß drei wichtige Größen bedenken: Einsatz, Chancen und Gewinn. Wenn der Gewinn sehr hoch ist, wird der Spieler bereit sein, einen hohen Einsatz zu wagen. Ein Spieler, der sein gesamtes Hab und Gut auf ein einziges Spiel setzt, strebt einen hohen Gewinn an.
    Er kann auch auf einen großen Verlust zusteuern; im Durchschnitt jedoch ergeht es den Spielern, die hohe Einsätze wagen, nicht besser und nicht schlechter als denen, die mit niedrigeren Einsätzen um niedrigere

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