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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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gewaltigen Reichweite und einem Frequenzspektrum, das vom Infraschallknurren bis hin zum Ultraschallpfeifen reicht und damit über das Hörvermögen des Menschen hinausgeht. Maulwurfsgrillen verstärken ihren Gesang zu Stentorlautstärke, indem sie in einem Erdloch singen, das sie sorgfältig in Form eines doppelt exponentialen Schalltrichters oder Megaphons graben. Bienen tanzen im dunklen Stock, um andere Bienen genau über Richtung und Entfernung von Nahrung zu informieren – eine Glanzleistung der Verständigung, die nur von der menschlichen Sprache übertroffen wird.
     
    Nach der traditionellen Darstellung der Ethologen entstehen Verständigungssignale in der Evolution zum Vorteil sowohl des Senders als auch des Empfängers. Beispielsweise beeinflussen Hühnerküken das Verhalten ihrer Mütter, indem sie hohe durchdringende Piepslaute ausstoßen, wenn sie sich verlaufen haben oder frieren. Dies ruft gewöhnlich sofort die Mutter herbei, die das Küken dann zur übrigen Brut zurückführt. Von diesem Verhalten könnte man sagen, daß es sich zum gegenseitigen Vorteil entwickelt hat in dem Sinne, daß die natürliche Auslese Küken begünstigt hat, die piepsen, wenn sie sich verlaufen haben, und Mütter, die in der richtigen Weise auf das Piepsen reagieren.
    Wenn wir wollen (es ist nicht wirklich nötig), können wir Signale wie den Piepslaut so auffassen, als ob sie eine Bedeutung hätten oder eine Information trügen, in diesem Fall beispielsweise: „Ich habe mich verlaufen.“ Von dem im ersten Kapitel erwähnten Alarmruf kleiner Vögel könnte man sagen, er übermittle die Information: „Da ist ein Falke.“ Individuen, die diese Information aufnehmen und entsprechend handeln, werden begünstigt. Man kann diese Information daher als wahr bezeichnen. Vermitteln Tiere aber jemals eine falsche Information – lügen Tiere mitunter?
    Die Vorstellung, daß ein Tier lügt, kann zu Mißverständnissen führen. Ich muß daher vorab versuchen, dies zu verhindern.
    Ich erinnere mich, daß ich einmal einen Vortrag von Beatrice und Allen Gardner über ihre berühmte „sprechende“ Schimpansin Washoe hörte. (Washoe benutzt die amerikanische Zeichensprache für Taubstumme, und ihre Leistungen sind für Sprachforscher von großem potentiellem Interesse.) Unter den Zuhörern waren einige Philosophen, die sich in der dem Vortrag folgenden Diskussion viel Gedanken über die Frage machten, ob Washoe lügen könne. Ich vermutete, daß die Gardners meinten, es gäbe interessantere Fragen zu besprechen, und ich war derselben Meinung. In diesem Buch benutze ich Worte wie „täuschen“ und „lügen“ in einem sehr viel direkteren Sinne als jene Philosophen. Sie beschäftigten sich damit, ob bei Washoe eine bewußte Täuschungsabsicht möglich war. Ich dagegen spreche einfach von einer Wirkung, die funktional der Täuschung entspricht. Würde ein Vogel das Da-ist-ein-Falke-Signal benutzen, wenn kein Falke in der Nähe ist, und dadurch seine Gefährten verscheuchen, so daß er ihre Nahrung für sich hätte, so könnten wir sagen, er habe gelogen. Wir würden damit nicht meinen, daß er sich absichtlich und bewußt vorgenommen hatte zu betrügen. Wir wollen lediglich sagen, daß der Lügner sich auf Kosten der anderen Vögel Nahrung verschaffte, und die anderen Vögel flogen deshalb weg, weil sie auf den Ruf des Lügners in einer Weise reagierten, wie dies angebracht ist, wenn tatsächlich ein Falke in der Nähe ist.
    Viele genießbare Insekten wie die Schmetterlinge im vorigen Kapitel schützen sich dadurch, daß sie das Aussehen anderer, widerlich schmeckender oder stechender Insekten nachahmen. Wir selbst lassen uns häufig täuschen und halten gelbschwarz gestreifte Schwebfliegen für Wespen. Einige Fliegen, die Bienen nachahmen, sind bei ihrer Täuschung sogar noch perfekter. Auch Räuber lügen. Anglerfische warten geduldig am Meeresgrund, wobei sie sich kaum vom Hintergrund unterscheiden. Der einzige auffällige Teil ist ein sich windendes wurmartiges Stück Fleisch am Ende einer langen „Angelrute“, die vom Kopf absteht. Kommt ein kleiner Beutefisch in die Nähe, so läßt der Angler seinen wurmartigen Köder vor ihm herumtanzen und lockt ihn hinunter in die Gegend, wo sein eigenes Maul verborgen ist. Plötzlich öffnet er die Kiefer, und der kleine Fisch wird eingesaugt und verspeist. Der Angler lügt und nutzt dabei die Gewohnheit des kleinen Fisches aus, sich wurmähnlichen, sich windenden Objekten zu nähern.

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