Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
Vom Netzwerk:
Vorfahren von zwei Individuen gleich. Daher braucht man, wenn man den Verwandtschaftsgrad von A und B aufgrund irgendeines beliebigen dieser Ahnen ausgerechnet hat, in der Praxis nichts anderes mehr zu tun, als ihn mit der Zahl der Ahnen zu multiplizieren.
    Vettern ersten Grades beispielsweise haben zwei gemeinsame Vorfahren, und der Generationsabstand über jeden von ihnen ist 4. Ihr Verwandtschaftsgrad beträgt daher 2 x (l/2)4 = l/8.
    Wenn A der Urenkel von B ist, so ist der Generationsabstand 3, und die Zahl der gemeinsamen „Vorfahren“ ist   (B selbst).
    Der Verwandtschaftsgrad ist daher 1 x (1/2)3 = 1/8. Genetisch gesehen entspricht mein Vetter ersten Grades meinem Urenkel. Und es ist ebenso wahrscheinlich, daß ich meinem Onkel „nachschlage“ (Verwandtschaftsgrad: 2 x (1/2)3 = 1/4) wie meinem Großvater (Verwandtschaftsgrad: 1 x (1/2)2 = 1/4).
    Für so entfernte Verwandte wie Vettern dritten Grades nähert sich der Verwandtschaftsgrad (2 x (1/2)8= 1/128) der sehr geringen Wahrscheinlichkeit, daß A ein bestimmtes seiner Gene mit einem beliebigen Individuum der Population gemeinsam hat. Soweit es ein altruistisches Gen betrifft, ist ein Vetter dritten Grades nicht sehr viel mehr als jeder Hinz oder Kunz.
    Ein Vetter zweiten Grades (Verwandtschaftsgrad 1/32) ist, verglichen mit dem Rest der Population, nur ein klein wenig etwas Besonderes, ein Vetter ersten Grades etwas mehr (1/8).
    Leibliche Geschwister sowie Eltern und Kinder sind für uns etwas ganz Besonderes (1/2), und eineiige Zwillinge (Verwandtschaftsgrad 1) sind genauso besonders wie man selbst. Onkel, Tanten, Neffen und Nichten, Großeltern und Enkel sowie Halbgeschwister liegen mit einem Verwandtschaftsgrad von 1/4 dazwischen.
    Jetzt sind wir in der Lage, sehr viel präziser über Gene für Familienaltruismus zu sprechen. Ein Gen für das selbstmörderische Retten von fünf Vettern würde in der Population nicht zahlreicher werden, aber ein Gen zum Retten von fünf Brüdern oder zehn Vettern würde dies sehr wohl. Damit ein selbstmörderisch altruistisches Gen erfolgreich ist, muß es mehr als zwei Geschwister (beziehungsweise Kinder oder Eltern) oder mehr als vier Halbgeschwister (beziehungsweise Onkel, Tanten, Neffen, Nichten, Großeltern, Enkel) oder mehr als acht Vettern ersten Grades retten und so weiter. Ein derartiges Gen lebt im Durchschnitt in den Körpern von so vielen geretteten Individuen weiter, daß der Tod des Altruisten ausgeglichen wird.
    Wenn ein Individuum sicher sein könnte, daß ein bestimmtes anderes Individuum sein eineiiger Zwilling ist, so sollte es um dessen Wohlergehen genauso besorgt sein wie um sein eigenes. Jedes Gen für Zwillingsaltruismus muß zwangsläufig in beiden Zwillingen vorhanden sein; wenn daher einer einen heldenhaften Tod stirbt, um den anderen zu retten, so lebt das Gen weiter. Neunbindengürteltiere werden in einem Wurf von eineiigen Vierlingen geboren. Soweit mir bekannt ist, liegen keine Berichte über heroische Selbstaufopferungstaten unter jungen Gürteltieren vor, doch ist darauf aufmerksam gemacht worden, daß mit Sicherheit eine starke Selbstlosigkeit unter ihnen zu erwarten ist, und es würde sich lohnen, wenn jemand nach Südamerika führe, um das nachzuprüfen. 3
    Wir können nunmehr erkennen, daß die elterliche Fürsorge lediglich ein Sonderfall von Familienaltruismus ist. Genetisch gesprochen sollte ein Erwachsener seinem verwaisten kleinen Bruder ebensoviel Pflege und Aufmerksamkeit entgegenbringen wie einem seiner eigenen Kinder. Sein Verwandtschaftsgrad mit beiden Kleinkindern ist genau identisch, nämlich 1/2.
    Im Sinne der Genselektion müßte ein Gen für altruistisches Verhalten der großen Schwester eine ebenso gute Chance haben, sich in der Population auszubreiten, wie ein Gen für Altruismus seitens der Eltern. In der Praxis ist dies aus mehreren Gründen, auf die wir später noch zu sprechen kommen werden, eine allzu große Vereinfachung, und die brüderliche und schwesterliche Fürsorge ist in der Natur bei weitem nicht so verbreitet wie die elterliche. Worauf ich hier hinauswill, ist jedoch, daß genetisch   gesehen an der Eltern-Kind-Beziehung, verglichen mit der Bruder-Schwester-Beziehung, nichts Besonderes ist. Die Tatsache, daß Eltern Gene an Kinder vererben, aber Schwestern untereinander keine Gene austauschen, ist nicht relevant, da beide Schwestern identische Kopien derselben Gene von denselben Eltern erhalten.
    Einige Leute benutzen den Ausdruck Familienselektion

Weitere Kostenlose Bücher