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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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erreicht es im wesentlichen, indem es dazu beiträgt, die Körper, in denen es sich befindet, so zu programmieren, daß sie überleben und sich fortpflanzen. Für die folgenden Betrachtungen ist jedoch vor allem der Aspekt bedeutsam, daß „es“ ein verbreitetes, vielfach vorhandenes Gebilde ist, das in vielen verschiedenen Individuen gleichzeitig existiert. Die Kernaussage dieses Kapitels lautet: Möglicherweise ist ein Gen in der Lage, den Kopien   seiner selbst, die in anderen Körpern sitzen, zu helfen.
    Dies würde wie individueller Altruismus aussehen, wäre aber tatsächlich das Ergebnis des Genegoismus.
    Betrachten wir das Gen für Albinismus beim Menschen.
    Tatsächlich gibt es mehrere Gene, die Albinismus hervorrufen, ich spreche aber nur von einem von ihnen. Es ist rezessiv, das heißt, es muß in doppelter Ausfertigung vorhanden sein, damit ein Mensch ein Albino wird. Dies ist bei jeweils einem von 20000 Menschen der Fall. Außerdem liegt das Gen jedoch bei einem von etwa 70 Menschen in einfacher Ausfertigung vor, und diese Individuen sind keine Albinos. Da ein Gen wie das für Albinismus auf viele Individuen verteilt ist, könnte es theoretisch selbst sein Überleben im Genpool fördern, indem es seine Körper dahingehend programmiert, sich anderen Albinokörpern gegenüber selbstlos zu verhalten, da diese bekanntlich dasselbe Gen enthalten. Das Albinogen sollte ganz glücklich darüber sein, wenn einige der Körper sterben, in denen es lebt, vorausgesetzt diese helfen damit anderen Körpern, die dasselbe Gen enthalten, beim Überleben. Wenn das Albinogen einen seiner Körper dazu veranlassen könnte, das Leben von zehn Albinokörpern zu retten, dann wäre die zahlenmäßige Zunahme der Albinogene im Genpool eine reichliche Entschädigung sogar für den Tod des Altruisten.
    Sollten wir also erwarten, daß Albinos besonders freundlich zueinander sind? Tatsächlich sind sie es wahrscheinlich nicht. Wenn wir erkennen wollen, warum das so ist, müssen wir vorübergehend unser Bild von dem Gen als einem bewußt handelnden Etwas aufgeben, weil es in diesem Zusammenhang ausgesprochen irreführend ist. Wir müssen auf die konventionelle, wenn auch langatmigere Ausdrucksweise zurückgreifen.
    Es ist nicht so, daß Albinogene wirklich überleben oder anderen Albinogenen helfen „wollen“. Doch wenn das Albinogen seine Körper rein zufällig dazu bewegen würde, sich anderen Albinos gegenüber uneigennützig zu verhalten, hätte dies die Folge, daß es im Genpool wohl oder übel zahlreicher würde.
    Doch damit dies geschähe, müßte das Gen zwei voneinander unabhängige Wirkungen auf die Körper ausüben. Es müßte ihnen nicht nur die typische, sehr helle Hautfarbe verleihen, sondern darüber hinaus eine Tendenz, sich gegenüber Individuen mit sehr heller Hautfarbe altruistisch zu verhalten. Ein derartiges Gen mit zwei Effekten könnte, wenn es existierte, in der Population sehr erfolgreich sein.
    Nun stimmt es zwar, daß Gene tatsächlich mehrfache Wirkungen erzielen, wie ich in Kapitel 3 betont habe. Theoretisch ist es möglich, daß ein Gen auftritt, welches ein äußerlich sichtbares „Kennzeichen“, beispielsweise eine helle Haut oder einen grünen Bart oder irgend etwas Auffälliges, hervorriefe und darüber hinaus eine Tendenz, zu anderen Trägern dieses auffälligen Merkmals besonders freundlich zu sein. Es ist möglich, aber nicht sonderlich wahrscheinlich. Genausogut könnte Grünbärtigkeit mit einer Tendenz verbunden sein, eingewachsene Zehennägel oder irgendein anderes Merkmal zu entwickeln, und eine Vorliebe für grüne Bärte könnte ebenso wahrscheinlich mit der Unfähigkeit einhergehen, Freesienduft wahrzunehmen. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß ein und dasselbe Gen zusätzlich zu einem „Kennzeichen“ auch die entsprechende Art von Altruismus erzeugt. Nichtsdestoweniger ist das, was wir als den Grünbart-Altruismuseffekt bezeichnen können, eine theoretische Möglichkeit.
    Ein beliebiges Merkmal wie ein grüner Bart ist lediglich eine Methode, mit deren Hilfe ein Gen Kopien seiner selbst in anderen Individuen „erkennen“ kann. Gibt es noch andere Methoden? Ein besonders direktes mögliches Verfahren ist das folgende. Der Besitzer eines altruistischen Gens könnte einfach an der Tatsache erkannt werden, daß er altruistisch handelt.
    Ein Gen könnte im Genpool Erfolg haben, wenn es etwas „sagte“, das der folgenden Anweisung entspräche: „Körper, wenn A untergeht, weil er

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