Das egoistische Gen
daher eine 50-prozentige Chance, daß der Samen, der meine Schwester erzeugte, das Gen G bekam. Wenn ich andererseits G von meiner Mutter erhielt, so zeigt die genau parallele Beweisführung, daß die Hälfte ihrer Eizellen G enthalten haben muß; die Chancen, daß meine Schwester G enthält, betragen abermals 50 Prozent. Das bedeutet, wenn ich 100 Brüder und Schwestern hätte, würde ungefähr die Hälfte von ihnen ein bestimmtes seltenes Gen tragen, das ich besitze. Es bedeutet außerdem: Wenn ich 100 seltene Gene besitze, sind etwa 50 von ihnen im Körper jedes meiner Brüder und jeder meiner Schwestern vorhanden.
Dieselbe Art von Rechnung kann man für jeden beliebigen Verwandtschaftsgrad durchführen. Eine wichtige Beziehung ist die zwischen Eltern und Kind. Wenn ich eine Kopie des Gens H besitze, so ist die Chance, daß ein einzelnes meiner Kinder dieses Gen trägt, 50 Prozent, weil die Hälfte meiner Geschlechtszellen H enthält und das Kind aus einer jener Geschlechtszellen entstanden ist. Wenn ich umgekehrt eine Kopie des Gens J besitze, so ist die Chance, daß auch mein Vater J in sich hatte, ebenfalls 50 Prozent, weil ich die Hälfte meiner Gene von ihm und die andere Hälfte von meiner Mutter geerbt habe. Zur Erleichterung bedienen wir uns eines Index für den Verwandtschaftsgrad. Er ist ein Ausdruck für die Wahrscheinlichkeit, daß zwei Verwandte ein Gen gemeinsam haben. Der Verwandtschaftsgrad zwischen zwei Brüdern ist 1/2, weil die Hälfte der Gene, die einer von ihnen besitzt, auch in dem anderen vorhanden ist. Dabei handelt es sich um einen Durchschnittswert: Durch den Zufall der meiotischen Ziehung können einzelne Brüderpaare mehr oder weniger als die Hälfte ihrer Gene gemeinsam haben. Der Verwandtschaftsgrad zwischen Elternteil und Kind beträgt immer genau 1/2.
Nun ist diese Art der Berechnung ziemlich ermüdend; im folgenden eine nicht übermäßig genaue, aber leicht anzuwendende Regel, mit der sich der Verwandtschaftsgrad zwischen zwei beliebigen Individuen A und B ausrechnen läßt. Der Leser mag sie nützlich finden, wenn er sein Testament machen oder augenfällige Ähnlichkeiten in seiner Familie interpretieren will. Sie gilt für alle einfachen Fälle, versagt jedoch, wie wir sehen werden, in Fällen von Inzest und bei bestimmten Insekten.Als erstes sind alle gemeinsamen Vorfahren von A und B festzustellen. Bei zwei Cousins oder Cousinen ersten Grades beispielsweise sind das ihre gemeinsamen Großeltern. Wenn A und B einen gemeinsamen Vorfahren finden, sind dessen Vorfahren natürlich alle ebenfalls gemeinsame Vorfahren von A und B. Wir lassen aber alle außer den jüngsten gemeinsamen Ahnen unberücksichtigt. In diesem Sinne haben Cousins und Cousinen ersten Grades nur zwei gemeinsame Vorfahren.
Wenn B ein direkter Nachkomme von A ist, zum Beispiel sein Urenkel, dann ist A selbst der „gemeinsame Ahne“, nach dem wir suchen.
Nachdem wir die (oder den) gemeinsamen Vorfahren von A und B gefunden haben, zählen wir den Generationsabstand folgendermaßen. Wir beginnen bei A, verfolgen den Stammbaum, bis wir auf einen gemeinsamen Ahnen treffen, und kehren dann wieder bis zu B zurück. Die Gesamtzahl der Schritte den Baum hinauf und wieder hinunter ist der Generationsabstand. Wenn etwa A der Onkel von B ist, so beträgt der Generationsabstand 3. Der gemeinsame Vorfahre ist beispielsweise A‘s Vater und B‘s Großvater. Wenn wir bei A anfangen, müssen wir eine Generation hinaufsteigen, um zu dem gemeinsamen Vorfahren zu kommen. Anschließend, um zu B zu gelangen, müssen wir auf der anderen Seite wieder zwei Generationen hinuntersteigen. Der Generationsabstand ist daher 1+2 = 3.
Nachdem wir über einen bestimmten gemeinsamen Ahnen den Generationsabstand zwischen A und B gefunden haben, berechnen wir den Anteil an ihrem Verwandtschaftsgrad, für den jener Ahne verantwortlich ist. Dazu multiplizieren wir pro Schritt des Generationsabstandes 1/2 einmal mit sich selbst.
Wenn der Generationsabstand 3 beträgt, müssen wir also 1/2 x 1/2 x 1/2 oder 1/23 rechnen. Beträgt der Generationsabstand über einen speziellen Ahnen g Schritte, so ist der auf diesen Ahnen zurückzuführende Verwandtschaftsgrad (1/2)g.
Doch dies macht nur einen Teil des Verwandtschaftsgrades zwischen A und B aus. Wenn sie mehr als einen gemeinsamen Vorfahren haben, müssen wir den entsprechenden Wert für jeden dieser Vorfahren hinzuzählen. Gewöhnlich ist der Generationsabstand für alle gemeinsamen
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