Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das einzige Kind

Das einzige Kind

Titel: Das einzige Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
Vom Netzwerk:
der erste, und bei ihm dauerte es wirklich eine Ewigkeit. Dann wäre eigentlich Maren drangewesen, aber sie mußte gehen, sie hatte einen Zahnarzttermin. Als nächste kam Cathrine, glaube ich, und dann ich. Es hat nicht lange gedauert …«
    207
    »Worüber haben Sie gesprochen?«
    »Über alles und nichts. Wie ich die Lage so sähe, wie ich mit Olav zurechtkäme. Ob ich mich mit meiner Tochter gut verstünde. Meine Exfreundin und ich hatten doch Streit wegen
    …«
    »Wissen Sie noch genau, wie lange dieses Gespräch gedauert hat?«
    »Nein, nicht genau, eine halbe Stunde vielleicht. Eher weniger.
    Auf jeden Fall ging es viel schneller als bei Terje und Cathrine.«
    Die Finger des Wachtmeisters hämmerten wieder auf der Tastatur herum. Inzwischen hatte der Zeuge verstanden, daß das eine Pause bedeutete.
    »Haben Sie gesehen, ob irgendwo im Büro Messer lagen?«
    fragte er nach einem lauten Punkt, bei dem die Taste zwischen Komma und Bindestrich hängenblieb.
    »Messer? Nein, natürlich lagen da keine Messer.«
    »Wird das Büro manchmal abgeschlossen?«
    Der Wachtmeister mühte sich mit der klemmenden Taste ab und versuchte, sie mit einem Kugelschreiber zu befreien.
    »Wir setzen auf Vertrauen. Niemand darf ohne Agnes’
    Erlaubnis das Büro betreten. An einem Nagel über der Tür hängt zwar ein Schlüssel, aber ich habe nie erlebt, daß der benutzt worden wäre.«
    Der Bildschirm vor Henriksens Augen füllte sich mit Punktreihen, die sich in einem entsetzlichen Tempo vermehrten.
    Ihm brach der Schweiß aus.
    »Schalten Sie doch den Rechner mal aus«, schlug Vassbunn vor, und Henriksen hielt das für eine gute Idee. Endlich konnte er die Taste lospulen und den PC wieder einschalten. Den letzten Teil des Verhörs hatte er nicht gespeichert, deshalb schlug er sich ärgerlich vor den Kopf. Er brauchte einige Zeit, um diesen Patzer wiedergutzumachen.
    208
    »Aber dann ist es doch kein Problem, ins Büro zu gehen, wenn man das will«, sagte er endlich. »Unbemerkt, meine ich.«
    »In einem Haus mit acht Kindern und vierzehn Angestellten?
    Nein, ich kann Ihnen sagen, das ist es wohl. Sie wissen nie, ob nicht in der nächsten Sekunde irgendwer auftaucht. Nur nachts ist es anders – falls Sie gerade Nachtdienst haben. Dann können Sie sich ziemlich sicher fühlen, obwohl natürlich immer wieder irgendein Kind aufwacht.«
    »Haben alle mal Nachtdienst?«
    »Nein, nur drei von uns. Und ab und zu Christian. Der ist eigentlich noch zu jung und verantwortungslos, wenn Sie mich fragen, aber manchmal ist ja jemand krank oder so.«
    »Hat Terje Welby manchmal Nachtwachen gehalten?«
    »Nein, jedenfalls nicht zu meiner Zeit.«
    »Wie war er eigentlich?«
    »Wer? Terje?«
    »Ja.«
    »Ach, was soll ich sagen? Er hatte ja die besten
    Empfehlungen. War Studienrat und überhaupt. Konnte vor allem mit den Jüngsten gut umgehen. Aber mit den Teenies ist er zu leicht aneinandergeraten.«
    »Und Maren?«
    »Maren ist die Tüchtigste von uns allen. Sie lebt für das Kinderheim. Sie hat einen unvorstellbaren Kontakt zu den Kindern. Agnes war ungeheuer begeistert von ihr. Das sind wir alle. Sie ist in gewisser Hinsicht ein bißchen altmodisch. Bei ihr wirkt die Arbeit wie eine Art … Berufung.«
    Er ließ sich dieses fremde Wort auf der Zunge zergehen.
    »Kennen Sie sie auch privat?«
    »Nein, eigentlich nicht. Ich kannte sie früher ja vom Sehen, aber wir haben nie etwas zusammen unternommen. Wissen Sie 209
    übrigens schon mehr über …« Er zog eine Grimasse und rieb sich den Nacken. »Ich habe grauenhafte Kopfschmerzen. Aber gibt es etwas Neues über Olav?«
    »Tja … wir wissen, daß er sich bis zum Wochenende in einem Wohnhaus in Grefsen versteckt hat. Der Junge ist offenbar ein Steher und kann für sich selbst sorgen. Aber natürlich haben wir Angst, ihm könnte etwas passiert sein. Wir suchen.«
    »Er ist nicht ganz gescheit. Ich meine, ich habe im Laufe der Jahre allerlei gestörte Kinder kennengelernt, aber keins hätte es mit diesem Jungen aufnehmen können.«
    »Nun gut. Das ist nicht unsere Aufgabe. Und unser Gespräch ist jetzt wohl auch beendet, Vassbunn.«
    Der letzte Teil des Verhörs wurde ohne Punkt und Komma geschrieben. Es sah seltsam aus, mußte aber reichen. Eirik Vassbunn sah dermaßen erschöpft aus, daß der Wachtmeister schon mit dem Gedanken spielte, ihn persönlich nach Hause zu fahren. Aber dazu fehlte ihm die Zeit.
    »Nehmen Sie sich ein Taxi, und schicken Sie uns die Rechnung«, sagte er noch, als Vassbunn

Weitere Kostenlose Bücher