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Das einzige Kind

Das einzige Kind

Titel: Das einzige Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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mehr.
    »Wie meinen Sie das?«
    204
    »Nun regen Sie sich doch nicht auf. Wir sagen doch niemandem etwas. Aber ich möchte wissen, ob Sie auch am fraglichen Abend Valium genommen hatten. Machen Sie das immer?«
    Jetzt hatte Vassbunn sich so weit gefaßt, daß er wohl doch eine Zigarette zustande bringen würde. Er ließ sich mit der Antwort Zeit, dann zog er kräftig daran, hustete kurz und sagte: »Ich habe schon ein paar Nervenprobleme, wissen Sie. Bin ein wenig zittrig. Aber ich komme gut zurecht. Ich nehme eigentlich nur sehr wenig Medikamente.«
    Das hörte sich nicht gerade überzeugend an. Erik Henriksen wartete auf die Antwort auf seine eigentliche Frage.
    »Doch. Ich hatte an dem Abend wohl ein oder zwei Tabletten genommen. Hatte mich mit meiner Exfreundin gestritten. Mit der Mutter meiner Tochter. Die sollte in den Winterferien eigentlich zu mir kommen, aber dann …«
    »Eine oder zwei?« unterbrach der Wachtmeister ihn. »Hatten Sie eine oder zwei Tabletten genommen?«
    »Zwei«, murmelte der Mann.
    »Sie könnten also im Sessel eingeschlafen sein?«
    »Ich war doch nicht müde, zum Henker! Ich mußte sogar Patiencen legen, um überhaupt schlafen zu können.«
    »Aber kann das nicht daran liegen, daß Sie schon geschlafen hatten? Daß Sie ein wenig eingenickt waren? Ohne sich wirklich daran erinnern zu können?«
    Der Mann gab keine Antwort. Dazu bestand auch kein Grund.
    Beide schwiegen, und der Wachtmeister schlug in der folgenden Viertelstunde erneut brutal auf die Tastatur ein. Diesmal konnte der Zeuge sich wach halten.
    »Übrigens«, sagte Erik Henriksen so unvermittelt, daß Vassbunn zusammenzuckte. »Was haben Sie gemacht, nachdem Sie Agnes gefunden hatten?«
    205
    Der Zeuge hatte einen fast glasigen Blick, so als schaute er in sich hinein.
    »Ich bin ganz einfach hysterisch geworden«, sagte er leise.
    »Komplett hysterisch.«
    »Aber was haben Sie gemacht?«
    »Können Sie Zigaretten drehen?«
    Der Wachtmeister lächelte schief und zuckte mit den Schultern.
    »Ein wenig bessere als die da auf jeden Fall«, sagte er und zeigte auf die mißratene Trompete, die im Aschenbecher ausgedrückt worden war.
    »Würden Sie bitte eine für mich drehen?«
    Vassbunn schob dem Polizisten den Tabak zu, und der hatte nach beeindruckend kurzer Zeit eine absolut akzeptable Zigarette fertig.
    »Ich wußte einfach nicht, was ich tun sollte. Ich war ja schon völlig fertig, weil Olav verschwunden war, und dann saß Agnes da tot wie eine … tot eben. Und ich hatte das Gefühl, an allem schuld zu sein, ich war vor Angst außer mir. Dann habe ich Maren angerufen.«
    »Maren?«
    Erik Henriksen blätterte überrascht in seinen Unterlagen und fand schnell, was er gesucht hatte. Er winkte ab, als der Zeuge weiterreden wollte, und las erst in Ruhe. Dann klappte er den Ordner zu und ließ den Mann fortfahren.
    »Ja. Sie wohnt doch gleich in der Nähe und ist so viel mehr …
    so viel ruhiger und beherrschter als ich. Sie wollte mir auch gleich helfen. Sie kam schon nach wenigen Minuten. Sie war sauer, weil ich die Polizei noch nicht angerufen hatte. Und deshalb hat sie das gemacht.«
    »Gut. Und dann?«
    206
    »Dann ist nicht mehr viel passiert. Ich habe mich unten hingesetzt, ich konnte einfach nicht im selben Zimmer sein wie Agnes. Maren hat sich um die Kinder und die Polizei und alles gekümmert. Ich bin nach Hause gefahren. – Darf ich jetzt bald gehen?« fügte er nach einer kleinen Pause noch hinzu. »Ich bin ziemlich kaputt.«
    »Das kann ich gut verstehen. Aber wir müssen noch kurz über das sprechen, was früher an diesem Tag passiert ist. Schaffen Sie das noch? Möchten Sie einen Kaffee?«
    Der Mann schüttelte den Kopf.
    »Mehr Wasser vielleicht? Ich kann auch Cola holen, wenn Ihnen das lieber ist.«
    »Wasser, bitte.«
    Auch diesmal trank er alles auf einmal aus. Dann wartete er mit resignierter Miene und geschlossenen Augen auf die nächste Frage.
    »Wann waren Sie im Heim?«
    »Um neun. Nach dem Abendessen. Die Jüngsten waren schon im Bett.«
    »Waren Sie an dem Tag schon mal im Heim gewesen?«
    »Ja.«
    Vassbunn öffnete die Augen. Es schien ihn zu überraschen, daß das mit der Sache etwas zu tun haben könnte.
    »Wir hatten eine Besprechung. Die meisten waren da, glaube ich. Und dann wollte Agnes plötzlich noch mit jedem von uns unter vier Augen sprechen. So eine Art Mitarbeiterberatung oder so. Ich wußte nicht, was das sollte, und ich wurde auch nicht klüger, als ich dann an die Reihe kam. Terje war

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