Das Ekel von Datteln
Lächeln. Doch bevor die Beamten die Frage präzisieren konnten, schüttelte die Kronenberger bereits den Kopf.
»Namen nennen – das wäre unfair. Schauen Sie sich um – die meisten Frauen sind länger da als wir. Aber von denen war es keine. Und ich auch nicht.«
»Wie war sie?«
»Eine Spitzenfrau. Sehr ehrgeizig. Wenn der Alte rief, dann kam sie. Auch am Wochenende. Und wenn ich abends später ging, war sie oft noch da.«
»Kontakte?«
»Wenig. Vielleicht in ihrem Reitverein. Aus Datteln hatte sie sich völlig zurückgezogen.«
»Warum?«
»Das Dorfklima. Der Klatsch …«
»Mochten Sie sie?«
Sie dachte einen Augenblick nach.
»Als Kollegin schon. Aber privat kamen wir weniger gut klar. Wir waren ein paarmal zusammen essen. Danach wussten wir, dass wir ganz andere Interessen hatten …«
»Waren Sie Ihre Nachfolgerin?«
Helga Kronenberger starrte sie verwirrt an. Dann begriff sie – und prustete los.
»In der Firma? Bloß nicht! Und schon gar nicht, um einen Vierziger von der Midlife crisis zu heilen.«
»Hat er es auch bei Ihnen versucht?«
»Nicht ernsthaft. Aber mehr Engagement hätte ihm auch nichts genützt …«
Es war längst zwei, als sie mit der ersten Bürorunde fertig waren. Lohkamp war froh, wieder ungefilterte Luft zu atmen. Der Wind stand günstig – er wehte den Industriedreck von ihnen weg, hinter den Kanal.
»Und jetzt?«
»Pommes«, sagte Lohkamp. »Und einen Kaffee.«
Beides zusammen zu bekommen, war in dieser Gegend nicht einfach. An der Bierbude vor der Kreuzung versuchten sie es erst gar nicht, und die Eckkneipe war eine Spielhölle – also Richtung Norden und bis zum Südring geradeaus.
An der Gertrudenstraße stand die Ampel auf Rot. Während sie warteten, entdeckte Brennecke eine Reklametafel, die sie ins Steakhuisken führte. Was sie da aßen, hatte Lohkamp schon im Auto wieder vergessen. Aber der Kaffee war gut gewesen.
Puths Privatbunker stand weit im Norden der Stadt, jenseits des Kanals, an einem unscheinbaren Feldweg. Brennecke fegte in einem solchen Tempo über die hohe Kanalbrücke, dass sie die schmale Einfahrt beinahe verpasst hätten.
Links, zwischen Weg und Ufer, weite Wiesen, rechts ein westfälisches Bauernhaus, von Bäumen halb verdeckt, schmuck wie im Reiseführer. Und fünfzig Meter weiter: Puth.
»Mein lieber Scholli«, staunte Brennecke. »Ein Hauch von Denver-Clan …«
Lohkamp grinste. Provinzluxus. Kein Vergleich zu Godesberg. Aber unter den 30.000 Seelen in Datteln konnte es nicht viele geben, die sich solch ein Häuschen leisten konnten.
Der Kriminalmeister hielt vor dem Tor. Schnörkellose weiße Gitterstäbe, etwa Hüfthöhe, flankiert von zwei gemauerten Pfeilern aus den unvermeidlichen roten Ziegeln, die Oberkante mit weißlackierten Eisen eingefasst, gekrönt von einer Ampel in der Form eines römischen Weinglases, mit Gitterchen und Spitzdächlein – natürlich ebenfalls weiß und aus Eisen.
Ob der Gong drinnen funktionierte, war von vorn nicht auszumachen: Ein Fußweg stand ihnen bevor, fünfzig, sechzig Schritte vielleicht, auf geharktem Kies an einem fast englischen Rasen vorbei, bewacht von grazilen Laternen, deren Leuchtkörper den Ampeln am Tor bis auf den letzten Pinselstrich glichen.
Ohne die übliche Rückfrage über die Sprechanlage betätigte jemand den Türöffner. Ein dezentes Summen, mehr nicht, und sie drückten auf.
»Diesmal hältst du die Klappe«, meinte Lohkamp so leise, dass seine Worte fast von dem Knirschen unter ihren Füßen aufgesaugt wurden. »In diesen Kreisen schätzt man es nicht, wenn Angestellte Chef spielen. Guck dir die Bude an, dann weißt du Bescheid …«
Brennecke grinste.
»Meine Herren …«
Ein Muttchen im besten Alter, halb Hausdame, halb Köchin, empfing sie an der weißen Massivholztür und geleitete sie durch eine weite Diele in einen Salon. Der Kontrast zu dem geschmackvollen Rotweiß der Außenwände war frappierend. Schwarze Eiche und Plüsch mit Blümchen – Luis Trenker ließ grüßen.
Gattin Puth, in grauen Loden gehüllt, erhob sich. Man machte sich bekannt, nahm Platz. Der Tee stand bereit, und als Muttchen eingegossen und die Salontür von außen verschlossen hatte, kam man zur Sache.
»Herr Gellermann hat mich selbstverständlich schon unterrichtet«, nahm die Haarknotendame das Heft in die Hand. »Ich vermag es gar nicht auszudrücken, wie betroffen mich diese Nachricht gemacht hat.«
»Sie kannten Frau Michalski?«, fragte Lohkamp.
»Und ich habe sie
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