Das Ekel von Datteln

aber die Beichte war noch nicht beendet.
    »Frau Puth hat die Firma vom alten Wagner geerbt und mit in die Ehe gebracht. Den Laden dichtmachen – das kann der Chef ihr nicht antun. Also müssen wir volle Kraft voraus losdampfen. Moderne Produkte, breite Palette, neue Organisation, Marketing – und eine Promotion, die uns ins nächste Jahrtausend katapultiert. Bei diesem Neuanfang sollen Sie uns helfen.«
    »Verstehe«, sagte Saale cool und trank seinen Kaffee aus. »Da sind Sie bei uns genau an der richtigen Adresse.«
    Gellermann schnellte hoch.
    »Genug geredet. Ich zeige Ihnen jetzt den Betrieb, damit Sie sich ein Bild machen können …«
    Er bugsierte die Filmemacher an seiner Sekretärin vorbei in den Flur. Als sie das Treppenhaus erreichten, tauchte vor den Fenstern ein grünes Etwas auf: Das große P aus dem Firmennamen. Es schwebte, an einem Drahtseil baumelnd, abwärts.
     
    Was die PEGASUS-Späher auf dem Werksgelände erblickten, hätte bestenfalls einen Schrotthändler vom Hocker reißen können: Unverkaufte Geräte, halb fertige Metallkonstruktionen, jede Menge an Fässern und Drahtrollen – unsortiert und angerostet.
    Als sie die erste Halle betraten, schlug ihnen beißender Lackgeruch entgegen. Im schwachen Deckenlicht, das zur Hälfte von den rauchgeschwärzten Wänden wieder aufgesogen wurde, dauerte es einige Atemzüge, bis sie die Quelle des Gestanks ausmachen konnten. An einem Metallgehänge wanderte ein Dutzend Eisengitter in die Spritzkabine. Durch die dünnen Blechwände drangen rhythmische Zischgeräusche nach außen, und der Kasten strahlte eine Hitze ab, als wollte er einem Hochofen Konkurrenz machen. Am anderen Ende waren zwei Türken damit beschäftigt, lackierte und getrocknete Teile abzuhängen.
    Im Halbdunkel wichen sie einem Gabelstapler aus, umkurvten ein paar Maschinen und steuerten auf den Hinterausgang zu. An einer wuchtigen Metallkonstruktion standen fünf, sechs Grünkittel und sahen einem siebten zu, der mit einem Schraubendreher im Intimbereich der Eisenpresse herumfuhrwerkte. Ein Stück hinter ihnen, in der Ecke, flackerten drei einsame Gesichter im blauen Widerschein einer Schweißflamme.
    Die PEGASUS-Leute atmeten durch, als sie wieder ins Freie traten. Und Saale hatte Grund zur Freude: Quer über den Platz kam Gellermanns Sekretärin herangeschwebt, ein Blatt Papier in der Hand und ein Lächeln auf den Lippen.
    »Sekunde, bitte«, entschuldigte sich Puths Vize und eilte ihr entgegen. Saale blickte ihm nach.
    »Eins sage ich dir«, meinte Mager. »Ich mache hier nicht eine Aufnahme ohne Vorschuss!«
    »Bitte?« Saale schrak auf.
    »Guck mal nach oben«, fuhr Mager fort, »da kreisen schon die Geier.«
    Die nächste Halle war halb so groß wie ein Fußballfeld und stammte bereits aus dem Jahrhundert der Betriebspsychologie. Alles war in ein mildes Lindgrün getaucht: die Mauern, die Wände der Büros und Meisterbuden, die Produktionsstraße auf der einen und die Stahlregale auf der anderen Seite. In den Gestellen lagerten Maschinenelemente, die Saale in der Mitte zwischen Raumfahrtindustrie und Zahnmedizin eingeordnet hätte.
    »Diese Teile gehören zu einer Einschienenhängebahn für den Einsatz in Bergwerksstollen. Höchstgeschwindigkeit: zwei Meter pro Sekunde. Wir haben dafür eine Reihe von Transportelementen entwickelt, mit denen verschiedene Materialien oder Personen befördert werden können. Diesen Punkt müssten Sie in Ihrem Film besonders hervorheben …«
    »Klar«, nickte Saale und gravierte geheimnisvolle Zeichen in seinen Notizblock.
    »Stichpunkte reichen«, meinte Gellermann. »Frau Kronenberger stellt Ihnen ein paar Prospekte zusammen.«
    Er zog weiter, kletterte zwischen Regalen und Maschinen umher und schüttelte mehrmals den Scheitel: »Alles verkommt hier …«
    Zwanzig Minuten lang stiegen sie durch die Halle. Rangierkatzen, Steuerstände, Seilbahnhaspeln, Schienen, Weichen. Alles da. Was fehlte, waren Abnehmer.
    Blinzelnd traten sie ans Tageslicht. An der Stirnwand der Halle hatten einige Arbeiter begonnen, das Blechschild mit dem Namen Puth abzuschrauben. Die neue Visitenkarte, in drei Teile zerlegt, stand schon bereit: »Wagner Transportsysteme GmbH.«
    »Haben Sie verkauft?«, fragte Mager.
    Der Prokurist schüttelte den Kopf: »Formalkram. Wir ändern die Produktpalette und den Firmennamen. Wie gesagt: Neuanfang …«
    Er steckte sich eine Zigarette an und schaute zur Sonne hoch, die sich soeben durch ein graues Wolkenfeld gekämpft