Das Ekel von Datteln
geschätzt«, betonte sie. »Intelligent, strebsam, kultiviert. Sie war oft in unserem Hause, und sie hat, wie ich weiß, meinen Mann sehr unterstützt.«
»Wie hat Ihr Gatte die Nachricht aufgenommen?«
»Es hat ihn sehr getroffen. Ruth – wir nannten sie unter uns nie anders, und ich bitte Sie, mir das nachzusehen – hat ihm sehr viel bedeutet. Und wenn sie nicht bei ihm gewesen wäre, hätte er den Infarkt vor zwei Wochen wohl kaum überlebt …«
Sie verstummte. Die Polizisten ließen ihr einige Sekunden Zeit, um der tapferen Tat zu gedenken.
»Die holländische Polizei hat hinreichenden Grund zu der Annahme gefunden, dass der Täter nicht von der Insel, vielleicht auch gar nicht aus Holland stammt, sondern wohl eher hier im Raum zu suchen ist«, begann Lohkamp und stockte einen Augenblick – teils von der Doppeldeutigkeit des Nomens Raum verwirrt, teils verärgert, weil er unwillkürlich den Sprachstil der Haarknotentante nachgeäfft hatte.
»Unsere ersten Ermittlungen bestätigen das. Jemand hat Ruth Michalskis Wohnung durchsucht. Und zwar so gründlich, dass die Einrichtung nur noch für die Müllkippe taugt …«
Unwillkürlich warf Puths Gattin einen Blick durch den Salon – als hätte sie die Vision durchzuckt, es könne diesem verletzbaren Ort genauso ergehen. Sie schloss die Lider und schüttelte den Gedanken mit einem knappen Schwenk ihres Vogelnests wieder ab.
»Ich kann mir gar nicht vorstellen, wer dazu fähig ist«, meinte sie. »Natürlich, ich weiß, dass es das gibt – aber dass jemand Ruth so etwas antut …«
»Irgendjemand hat es ihr angetan, Frau Puth«, erwiderte der Polizist und zitierte damit unbewusst seinen holländischen Kollegen de Jong. »Wir brauchen jeden auch noch so kleinen Anhaltspunkt, um dem Mörder auf die Spur zu kommen.«
»Herr Lohkamp, ich weiß davon seit über drei Stunden. Und ich kann Ihnen versichern, dass ich in der ganzen Zeit über diese Frage mehr nachgedacht habe als darüber, wie es mit meinem Mann weitergeht. Aber es tut mir leid – mir ist nichts eingefallen, dem ich irgendwelche Bedeutung zumessen könnte …«
Sie machten fünf Minuten weiter und gaben es auf: Zum Thema Michalski hatte Frau Puth nichts Neues zu bieten.
»Wie ist das – können wir Ihren Gatten sprechen?«
»Ungern«, sagte sie. »Aber es muss wohl sein. Ich bitte Sie sehr darum – nur zehn Minuten …«
Gustav Puth ruhte im rückwärtigen Bereich des Erdgeschosses, der nur auf einem komplizierten Weg durch mehrere Gänge und Türen zu erreichen war. Der Raum mochte sonst als Gästezimmer dienen, enthielt aber alle Attribute, die seine Verwendung als Krankenstube unterstrichen.
Puth lag. Er war, soweit Lohkamp es erkennen konnte, ein nicht sehr großer, aber kompakt gebauter Mann, dem man es ohne Weiteres glaubte, dass er einmal Steine geschleppt hatte – auch wenn das bereits mehr als eine Ewigkeit zurücklag.
Sein äußeres Erscheinungsbild verdeutlichte den zeitlichen Abstand von diesen Zeiten. Die letzten, fast weißen Haarsträhnen klebten über seinem runden Schädel wie ein computerlesbares Warenetikett, die tief hängenden Boxerbacken waren eingefallen, und die breiten Hände ruhten schlaff auf der Decke. Nur seine Augen bewegten sich munter wie bei einem gesunden Ferkel.
»Herr Puth, es tut uns leid, dass wir …«
Seine Rechte erwachte zum Leben, stoppte erst die Entschuldigung, winkte sie dann näher. Muttchen stand plötzlich mitten im Zimmer und schob Lohkamp einen Stuhl ans Bett.
»Wer immer es war«, ächzte der Mann, »finden Sie den Hund und ersäufen Sie ihn im Kanal!«
Lohkamp lächelte: »Finden ja, ersäufen nein …«
Er erzählte Puth, was dieser nach seiner Meinung wissen musste, und blickte ihn fragend an.
»Herr Lohkamp, seit Stunden zerbreche ich mir den Schädel. Aber der Einzige, der mir einfällt, ist die Flasche von Mann, mit dem sie verheiratet war …«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Sie hat sehr unter dieser Ehe gelitten. Er ist ein Versager, ein Mensch, der keine Ziele hat. Während sie sich hocharbeitete, hatte er nur seine Autos im Kopf. Machte Schulden. Und sie hat ihn mehr als einmal herausreißen müssen …«
»Aber dafür bringt man doch niemanden um …«
»Normalerweise nicht. Aber er hat sich bis zuletzt gegen die Scheidung gestellt. Hat sich dann einen Windhund von Anwalt genommen, der um jeden Pfennig gefeilscht hat. Und er hat sie wohl auch danach noch mit allen möglichen Forderungen belästigt.«
»Woher
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