Das Ekel von Datteln
freie Wirtschaft zahlt immer besser.«
Die Tür öffnete sich. Die Kanarienvögel kamen mit einem Computerbogen herein und gaben ihn ihrem Chef.
»Danke.«
Gellermann blickte kurz auf das Blatt und reichte es weiter.
»Nicht übel«, meinte Lohkamp. »4200. Ist das nicht etwas hoch?«
Der Prokurist verneinte: »Das ist noch im Rahmen. Vielleicht einen Hunderter über dem Durchschnitt. Aber das war sie wert.«
Die Standardfrage kam wie üblich zum Schluss: »Wo waren Sie in der Nacht zum Samstag?«
»Zu Hause. Dieses Kanalfestival kotzt mich an …«
»Ihre Frau kann das bezeugen?«
Gellermann verneinte: »Die war mit den Kindern bei meiner Schwiegermutter …«
»Streit?«
Brennecke erntete einen fast verächtlichen Blick: »Wir wohnen am Hafen – da hätten die Kinder die ganze Nacht kein Auge zubekommen.«
»Herr Gellermann – wann davor und wann danach sind Sie zuletzt oder zuerst gesehen worden?«
»Schwierig. Warten Sie …«
Er kratzte sich den Kopf, dachte nach.
»Freitagnachmittag, gegen fünf, halb sechs. Ich habe beim Bürgermeister Unterlagen abgeholt. Bei ihm zu Hause. Kalkulation der städtischen Personalkosten im nächsten Jahr. Und die habe ich ihm Samstagmittag zurückgebracht – zum Rathaus.«
Lohkamp nickte Brennecke zu – hier war vorerst nichts mehr zu holen. Doch dem Kriminalmeister fiel noch etwas ein.
»Sagen Sie: Bei dem Festlärm, von dem Sie sprachen – da konnten Sie arbeiten?«
Gellermann lächelte.
»Und ob! Kopfhörer auf, Simon & Garfunkel an, und ich rechne wie ein Weltmeister.«
18
Saale guckte sich die Augen aus dem Kopf. Die Braune gefiel ihm. Wenn Mager, dieser Idiot, doch das Maul gehalten hätte! Mit seiner Bemerkung hatte er das zarte Band der Sympathie, das schon durch die Luft schwebte, wieder zerrissen.
Unbewusst scharrte er mit den Füßen auf der Auslegeware.
»Sitz!«, knurrte sein Boss.
Als sich Saales Funksignale zum zweiten Mal mit den Blicken der Schönen kreuzten, ging die Polstertür auf. Brennecke trat heraus. Er würdigte die PEGASUS-Abgesandten mit keinem Blick, sondern beobachtete die Kanarienvögel. Lohkamp trat ihm gnadenlos in die Hacken.
»Frau …«
»Kronenberger«, half sie aus.
»Danke. Zeigen Sie uns bitte Frau Michalskis Arbeitsplatz. Wir müssten uns dort ein wenig umsehen. Und wenn Sie uns in einer guten halben Stunde ein paar Fragen …«
Die Sekretärin stand auf, strich ihren schwarzen Rock glatt und schwebte an den PEGASUS-Leuten vorbei. Saales Nase schnupperte ihr nach.
»Platz!«, zischte Mager.
»Hier möchte man arbeiten«, seufzte Saale.
»Du? Mit der?«, fragte Mager. »Kanarienvögel züchten, was?«
Die Tür flog auf. Gellermann warf sein Lächeln in die Runde.
»Tut mir leid, dass Sie warten mussten, aber …«
Er schüttelte den beiden die Hände, lotste sie in die Ledersessel und sammelte auf seinem Mahagonischreibtisch ein paar Unterlagen ein. Als er sich setzte, schwebte die Brünette herein. Sie räumte die Tassen ab und stellte zwei neue hin. Saale verfolgte ihre Bewegungen, als bekäme er nun den ersten Kaffee seines Lebens.
Mager trat ihm auf den rechten Fuß.
»Herrn Puth muss ich leider entschuldigen«, begann Gellermann. »Ich habe es Ihnen schon am Samstag gesagt: Unser Chef hat Probleme mit dem Herzen. Ich habe das Projekt aber mit ihm abgesprochen, sodass unseren Plänen nichts im Wege steht. Vielleicht darf ich Ihnen zu Beginn skizzieren, wie unser Unternehmen strukturiert ist und was wir uns von Ihrem Einsatz versprechen.«
Er stellte Puths Stammfirmen vor, die Bauunternehmung und das Betonwerk, mit denen sein Boss hochgekommen war, und warf mit Umsatzzahlen und Marktanalysen um sich, dass Saale beim Notieren wunde Finger bekam. Doch kurz bevor die PEGASUS-Männer vor Demut niederknieten, kriegte er die Kurve.
»Aber so rosig ist das alles auch nicht. Echte Sorgen macht uns dieser Betrieb …«
Seine Hand wies auf die Hallen hinter dem Fenster. Sie lagen still wie ein Altersheim in der Morgendämmerung.
»Früher waren wir in der Bergbautechnik führend. Aber der Markt ist zu eng geworden. Die Produktion lohnt sich nur noch, wenn wir bis China, Afrika und Südamerika liefern. Und da liegt der Hund begraben.«
Gellermann blickte ihnen mutig ins Gesicht: »Ich will offen sein. Jeden Pfennig, den wir mit Bau und Beton erwirtschaften, nehmen uns die Gläubiger dieses Ladens postwendend weg …«
Saale legte seine Stirn in Falten, Mager wollte schon sein Taschentuch ziehen,
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