Das Ekel von Datteln
Umsatz- und Gewinnrekorden Jubelstürme geerntet.
Die Staatsanwaltschaft hatte die Banken von den mutmaßlichen Betrügereien informiert, worauf die der Firma postwendend die laufenden Kredite kündigten und Puth aufforderten, die Verbindlichkeiten auszugleichen. Puth selbst passierte nichts, die Ermittlungen dauerten an.
»Das Einzige, was sich jetzt verändert hat, sind die Briefköpfe«, sagte Helga und nuckelte an ihrem Glas. Dann legte sie einen Bierdeckel auf den Thekenrand und ließ ihn einen Salto drehen, ehe sie ihn lässig wieder auffing. Saale starrte sie fasziniert an.
»Die Adresse ist gleich, die Telefonnummern auch, nur die Kontonummern wurden geändert, damit die Banken die Zahlungseingänge nicht zum Ausgleich der Puth-Konten festhalten konnten. Die neue Firma ist schuldenfrei.«
»Wahnsinn«, meinte Saale. »Aber das müssen sich doch auch Banken und Staatsanwälte zusammenreimen können.«
»Schlaukopf. Aber zwischen Merken und Handeln gibt es noch einen feinen Unterschied. Gegen die neue Firma kann die Staatsanwaltschaft erst einmal gar nichts machen. Sie gehört nicht mehr zur Gruppe Puth. Verkauft.«
»Und die Lieferanten machen das mit?«
»Ob du’s glaubst oder nicht – ja. Puth und Gellermann wickeln sie alle ein. Die haben ein Abkommen geschlossen. Ein außergerichtliches Moratorium. Sie haben auf einen Großteil der Schulden verzichtet und dürfen dafür den Laden weiter beliefern. Zum Ausgleich schlagen sie auf jede Rechnung ein paar Prozent drauf – mit den Jahren sollen so die Schulden abgestottert werden. Das Geld dafür geben die Herren Werdier aus Zürich.«
Saale schüttelte den Kopf: »Ich glaube, PEGASUS kann bei euch eine Menge lernen.«
»Klar. Der Gipfel: Eine Firma in Essen hat auf 80% der Außenstände verzichtet.«
»Weil Gellermann so eine schöne Sekretärin hat.«
»Quatsch. Die waren nur froh, im Geschäft zu bleiben. Sonst hätten sie selbst dichtmachen müssen.«
»Heiß, absolut heiß«, staunte Saale und wusste nicht recht: Sollte er empört sein oder die Schläue der Bankrott-Ritter bewundern?
»Ich hätte Wirtschaft studieren sollen, statt dort meine Abende zu vertrödeln …«
»Danke fürs Kompliment«, sagte sie.
Er sah sie von oben bis unten an. Sie hielt seinem Blick stand.
»Bist schon ’ne Weile aus dem Rennen, was?«, fragte sie sehr sachlich, aber viel zu laut. Die Thekenbesatzung grinste, Saale bekam rote Ohren.
»Komm, wir zahlen. In Bochum gibt’s noch mehr Kneipen.«
»Klar«, sagte Saale und warf mit großer Geste zwei Zwanziger auf den Tisch. Die Marksechzig Wechselgeld schob er zurück.
»Mach mir ’ne Rechnung: Speisen und Getränke. Aber den doppelten Betrag.«
Magers saßen beim Mittagsmahl, als es schellte. Mechthild öffnete, und ein Gespenst erschien: weißer Bademantel mit Grauschleier, Kapuze über dem bleichen Gesicht, ausgebrannte Augen in tiefen Höhlen.
»Habt ihr ’ne Stange Aspirin?«
Kalle erholte sich von seinem Schrecken als Erster: »Betteln und Hausieren verboten. Kannst du nicht lesen?«
»Heute bestimmt nicht«, antwortete Magers Gattin und schob dem bleichen Gast einen Stuhl hin. Dann holte sie das Röhrchen mit den Tabletten und eine Kanne Wasser, während Mager Kaffee aufsetzte.
Saale ließ sich vorsichtig nieder, warf zwei von den Pillen ein und streckte seine nackten Füße aus. Ein Sessel mit Armlehnen wäre ihm lieber gewesen.
»Willst du etwas mitessen?«, fragte Mechthild und deutete auf den Topf mit den Kohlrouladen.
»Nein«, krächzte Saale, dem bereits der Geruch neue Übelkeit bereitete. Zehn Minuten sah er stumm zu, wie Mager und sein Spross um die Wette bunkerten. Nach dem ersten Liter Kaffee fühlte er Anzeichen einer beginnenden Wetterbesserung.
»Vatta, beeil dich«, trieb Kalle ihn an. »Wir haben um zwei Mannschaftstreffen …«
»Wo spielt ihr denn?«
»In Huckarde. Du bist heute dran mit dem Fahren.«
Mager nickte. Wenn Borussia nicht zu Hause antrat, sah er sich zum Ersatz auch schon mal ein Spiel seines Sohnes an. Kalle war Libero und reifte zu einer gesunden Mischung aus Nobby Stiles und Augenthaler heran. Er hatte schon mehr gelbe Karten auf dem Konto als Bochums Abwehrrecke Lothar Wölk.
»Wann bist du denn wiedergekommen?«, fragte Mechthild.
»Keine Ahnung«, flüsterte Saale.
»War sie da?«, wollte Mager wissen.
»Wer?«
»Die Kronenberger.«
»Klar. Wie hätte ich denn sonst nach Hause kommen sollen?«
Magers Gabel blieb in der Luft hängen: »Sag
Weitere Kostenlose Bücher