Das Ekel von Datteln
Armbanduhr.
»Ja«, antwortete Mager schon aus reiner Bosheit. »Einen Mokka!«
»Zwei!«, ergänzte Saale.
»Ach«, grinste Helga, »machen Sie drei …«
Als der Mann weg war, setzten sie ihren Wettbewerb im Kopfschütteln fort.
»Der alte Puth«, flüsterte Saale schließlich. »Ich kann’s nicht fassen. Vor einer Stunde hat er uns etwas von modernem Management erzählt. Und dann wendet er Steinzeitmethoden an, um Konflikte zu lösen …«
»Unter die Psychologen gegangen?«, fragte Mager. »Dann haste aber schlecht aufgepasst. Guck dir den Mann doch mal genau an: Wie seine Schultern durchhängen. Wie seine Hände zittern. Und wie der geht. Der war’s nicht. Nie im Leben! Der kann keinem Wellensittich mehr den Hals umdrehn …«
Helga seufzte: »Habe ich mir im ersten Moment auch gedacht. Aber diese Karte ist doch eindeutig! Als mir klar wurde, was ich in den Fingern hatte, wurden mir die Knie weich.«
»Hat Gellermann den Brief gesehen?«, fragte Saale.
»Der war auch noch nicht da …«
»Hast du das Ding sonst wem gezeigt?«
»Wem denn? Es sind doch nur noch ein paar Leute da. Wenn ich zu denen gegangen wäre, wüsste das jetzt ganz Datteln. Nur gut, dass ich euch kenne.«
Sie streichelte Saales Hand, und der hielt dabei ganz still.
»Also: Was mache ich mit dem Brief?«
»Polizei!«, sagte Saale.
»Nicht so eilig!«, brauste Mager auf. »Zur Polizei können wir immer noch. Wir sollten uns aber vorher überlegen, was wir mit dem Kärtchen anfangen können. Pegasusmäßig, meine ich.«
Sein Angestellter tippte sich an die Stirn: »Du bist ja hier! Du kannst doch kein Beweismaterial unterschlagen. Wenn das herauskommt, machen die uns den Laden dicht!«
Der Schwarzgelockte kam mit dem Mokka und stellte die Tassen so rasant auf den Tisch, dass die Hälfte der schwarzen Suppe auf den Untertassen landete.
Normalerweise hätte sich Mager diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Aber jetzt knurrte er nur und goss seinen Frischmacher kurzerhand in die Tasse zurück und begann zu schlürfen.
»Ehrlich«, sagte Helga. »Das mit der Kripo geht wohl nicht anders. Aber irgendwie ist mir dabei ganz schön mulmig. Ich meine: meinen Chef anzuschwärzen. Egal, was dabei herauskommt – er hat mich immer korrekt behandelt.«
Mager massierte angestrengt seine Nackenmuskeln, aber die geniale Eingebung, wie man die Geschichte filmisch umsetzen könnte, ließ auf sich warten.
»Ich finde es einfach unglaublich«, meinte Saale. »Da fährt einer dreihundert Kilometer, um jemanden umzubringen. Dann findet er einen Strafzettel unterm Scheibenwischer, schmeißt ihn weg und fährt seelenruhig nach Hause. Wenn er gleich bezahlt hätte, wäre das Ding für alle Zeiten in den Akten verschwunden. Wie kann man nur solch einen Fehler machen?«
»Das verstehst du nicht«, erklärte Mager. »Ihr Hamburger fahrt öfter nach Dänemark als nach Holland. Hier im Ruhrpott macht das fast jeder so, wenn er dort eine Knolle bekommt. Bis vor Kurzem hast du nämlich von der Sache meist nie wieder was gehört.«
»Vielleicht hatte Puth auch keine Zeit, erst ein Postamt zu suchen und zu bezahlen«, überlegte Helga laut.
»Wie meinst du das?«
»Weil er zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder hier sein musste. Wegen des Alibis …«
Sie schwiegen wieder. Am Nebentisch rief ein Vater seine kleine Tochter zur Ordnung, die ihre Spaghetti mit den Fingern essen wollte, in den Boxen heulte Julio Iglesias, und am Eingang strullte ein streunender Schäferhund in den Topf mit der Yucca-Palme.
»Nun sagt mir, was ich tun soll«, sagte Helga. »Ich muss gleich wieder in die Firma.«
»Der vierte September. Da begann doch das Kanalfest. War Puth nicht dabei?«
Mager schüttelte den Kopf: »Nee. Seine Frau hat Roggenkemper lang und breit erklärt, er läge noch im Bett.«
»Wann?«
»Am Samstagmorgen. Auf dem Sektempfang.«
»Aber Dienstag war er in der Firma«, erinnerte sich Saale. »Als diese Bankiers …«
Mager nickte.
Der Kellner tauchte wieder auf und präsentierte ihnen ungefragt die Rechnung. Helga zückte ihr Portemonnaie, aber Saale winkte ab: »Klaus-Ulrich bezahlt. Firmenkosten!«
»Was?«, schrak Mager auf. »Du hast mich doch eingeladen!«
Saale feixte: »Stell dich nicht so an. Was soll unsere neue Partnerin von PEGASUS denken?«
»Partnerin? Habe ich eine Firmen-Vollversammlung verpasst?«
»Also gut: Informantin. Und Informanten lädt man zum Essen ein. Geschäftsunkosten. Steuermindernd.«
Mager gab es auf und
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