Das Ekel von Datteln
Blick zu, dann kehrte die Prozession zurück zum Bürgersteig. Ratlos blickte man die Straße entlang. Zwei Autos preschten an ihnen vorbei, aber es war niemand zu sehen, den man hätte fragen können.
»Vielleicht«, meinte Brennecke, »hat der Schuppen mehrere Eingänge …«
Die vier machten sich auf den Weg. Umkurvten, immer die Grundstückshecke zur Seite, die Straßenecke, peilten die Blätterfront entlang – und wurden endlich fündig. Unwillkürlich beschleunigten sich ihre Schritte.
Same procedure as last year: Die Regentraufe, darunter die beiden Männer, der erhobene Ärmel von Lohkamps grüner Cordjacke, die laufende Kamera. Und jetzt hatte der Erste Hauptkommissar das Gesuchte auch tatsächlich gefunden: Er nickte Brennecke befriedigt zu und drückte auf eine Klingel.
Nichts.
Vom Hafen drang leise das Tuckern eines Schiffsdiesels herüber, irgendwo in der Ferne schrien ein paar Kinder, und im nächsten Apfelbaum ertönte das spöttische Keckern eines Vogels, dessen Namen Mager im Biologieunterricht verpasst haben musste.
Brennecke schüttelte den Kopf: »Das muss an Ihnen liegen, Chef. Seit Sie in Recklinghausen sind, treffe ich niemanden mehr zu Hause an.«
»Halt den Mund«, raunzte Lohkamp und blickte zuerst seinen Gehilfen, dann die PEGASUS-Männer an: Kritik vor der Weltöffentlichkeit war das Allerletzte, was ihm jetzt gefallen konnte.
Kurz entschlossen drückte er die nächste Klingel.
»Ja?«, meldete sich eine Frauenstimme.
»Wir suchen Herrn Gellermann. Wissen Sie …«
»Oh, da haben Sie Pech. Die Frau ist mit den Kindern eine Woche nach Lanzarote, und Herr …«
Hier müsste man Einbrecher sein, dachte Lohkamp. Die besten Tipps bekommt man gratis.
Mager schaltete die Kamera ab. Dachte nach, ließ seine spitze Nase für das nächste
Hin-und-Her-Spiel trainieren und ging ein paar Schritte zurück, um sich die Straße anzusehen.
»Sein Wagen steht aber draußen, Herr Lohkamp …«
Schweigend starrten vier Augenpaare auf den weißen BMW. Das linke Seitenfenster war einige Millimeter tief herabgelassen – heiß war es zuletzt am Samstag gewesen. Der Kühler und das Dach waren mit eingetrockneten Regentropfen übersät – die letzte Dusche hatte es in der Nacht zu diesem Montag gegeben. Und unter dem rechten Scheibenwischer klemmte ein herabgewehtes Birnbaumblatt. Aber seit dem Regen war es windstill.
Irgendjemand in der Runde seufzte, aber keiner hätte hinterher zu sagen gewusst, wer es war. Lohkamp starrte Brennecke an. Mager seinen treuesten Angestellten.
Plötzlich machte der Hauptkommissar auf dem Absatz kehrt, lief auf das Haus zu und hämmerte mit der flachen Hand auf die Schelle.
»Ja?«
Dieselbe Stimme.
»Drücken Sie mal auf – Kriminalpolizei!«
Sekunden später ertönte der Summer, Lohkamp und Brennecke stürmten hinein. Mager startete, aber da schlug ihm der Kriminalmeister die Tür vor der Nase zu.
»Scheißbulle!«, schrie der Kameramann und trat gegen den schwarzen Metallrahmen, der das gelbe, geriffelte Glas am Umfallen hinderte.
Saale kam heran, grinste und drückte noch einmal auf den Klingelknopf. Aber nichts passierte, und sein Grinsen verschwand. Sie warteten. Hörten Stimmen im Hausflur, konnten jedoch kein Wort verstehen. Traten unter der Regentraufe weg ins Freie. Aber niemand lag im Fenster, den sie um irgendetwas hätten bitten können.
»Denen gebe ich noch mal einen Tipp!«, knurrte Mager und steckte eine Selbstgedrehte an. Saale sagte gar nichts. Seinen Boss darauf hinzuweisen, wer diesen Tipp gegeben hatte, wäre lebensgefährlich gewesen.
Die Sekunden vergingen.
Plötzlich öffnete sich die Tür. Lohkamp und sein Gehilfe kamen heraus und marschierten schweigend an ihnen vorbei zur Straßenecke zurück. Sie wurden von einer schlanken Blonden begleitet, die mindestens einen Kopf größer als Mager und so braun war, wie man es nur weit weg in der Karibik oder im nächsten Sonnenstudio werden kann. In ihrem Gesicht klebte mehr Chemie, als der Rhein pro Minute in die Nordsee spült.
»Das da sind die Fenster von Gellermanns Wohnung«, sagte sie und zeigte auf eine Sammlung von Glasflächen, die zur Kanalstraße hinausblickten.
»Und alles, was vor den Fenstern liegt, gehört zu Gellermanns Garten.«
»Danke«, sagte Lohkamp, aber die lange Blonde machte keine Anstalten, in ihr Heim zurückzukehren. Als Mager die Kamera hob, ordnete sie mit einer gekonnten Bewegung ihr perfekt frisiertes Haar.
Abschätzend blickten die Polizisten die
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