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Das Elbmonster (German Edition)

Das Elbmonster (German Edition)

Titel: Das Elbmonster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerner, Károly
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folgerichtig seiner Verpflichtung nach, die er mit ungewohntem Zögern eine Woche früher übernommen hatte. Damals bedurfte es einer beachtlichen Überzeugungsarbeit, ihn dafür zu gewinnen, während der Festveranstaltung im Namen aller Ausgezeichneten passende Dankesworte zu finden. Immerhin stand ihm mit der Ehrenbürgerschaft der Stadt unter den verdienstvollen Persönlichkeiten die höchste Würdigung bevor.
    Aber die Organisatoren hatten noch anderes im Sinn: Sie wussten aus mancherlei Erfahrung, wenn er das Wort hatte, sprach er nicht nur, sondern sagte auch etwas. Demgemäß baten sie ihn ausdrücklich darum, sich vorzugsweise und möglichst umfassend zu überregionalen aktuellen Geschehnissen zu äußern, weil man das vom Bürgerchef kaum erwarten konnte. Das ist nicht sein Obliegen. Er hat schlichtweg andere Pflichten. Dessen ungeachtet leben die meisten Menschen keineswegs vom heimischen Brot allein, denn so lieb uns Meißen auch immer sein mag, es ist nicht der Nabel der Welt. Darum sollte man gelegentlich auch über seinen Tellerrand hinausblicken, um die eigene Position besser zu begreifen. Inzwischen ist uns bekannt, dass Abel ihrem Wunsch ausgiebig entgegenkam und dafür viel Beifall erhielt.
     
    Übrigens wurde auch den Ausführungen des Oberbürgermeisters große Aufmerksamkeit gewidmet, wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb, weil er gerade auf der „Abschussliste“ stand. Die Bürgerbewegung schickte ihn 1994 ins Rennen. Als er schon das Sagen hatte, holten ihn die Christdemokraten in ihr Boot. Da er ihnen auf seinem Posten wohl nicht immer genug hörig war und gemäß seiner Aufgaben auch gar nicht sein konnte, suchten und fanden sie bald einen vermutlich genehmeren Bewerber für die bevorstehende Gemeindewahl. Nachdem sie ihrem wenig folgsamen Exponenten bereits mehrfach und dazu noch öffentlich kräftige Schienbeintritte verpassten, ließen sie ihn bald vollends wie eine heiße Kartoffel fallen.
     
    Bei derartigen Verfahrensweisen drängt sich gewiss nicht nur dem Autor dieser sozialkritischen Erzählung die Frage auf, warum sich eigentlich manche Leute unentwegt für den Gemeinnutz abplagen, wenn sie dafür letztlich doch nur Hohn und Verunglimpfung anstelle von aufrichtigem Dank ernten. Obzwar viele unserem einstigen Oberbürgermeister bisweilen sicherlich zu Recht etwas mehr Entscheidungsfreude und größere Ellenbogenstärke wünschten, sollte man doch fair bleiben und anerkennen, was er insgesamt zum Wohle der Stadt und ihrer Bürger geleistet hat, denn es ist durchaus beachtenswert.
    Falls dem Manne vonseiten einiger Räte, Fraktionen und sonstiger Nörgler weiter so vehement zugesetzt wird, statt ihn bei guten Vorhaben nach besten Kräften zu unterstützen, waren ehedem meine Bedenken, sollte es uns nicht wundern, wenn er eines Tages enttäuscht das Handtuch wirft und hernach das Weite sucht. Vielleicht äußert er dabei sogar empört wie anno dazumal (1918) Friedrich August III. während seiner Abdankung als letzter Sachsenkönig: „Machd doch eiern Drägg alleene!“ Macht doch euren Dreck alleine!
    Und siehe da, er hat sich mittlerweile tatsächlich abgesetzt und in Halle („an der Saale hellem Strande“?) eine Stelle als Baudezernent angenommen. Es könnte durchaus sein, dass er sich dort professionell mehr entfalten wird, als er es bei uns vermochte, denn er ist immerhin studierter Architekt. Das wäre ihm auch vorbehaltlos zu wünschen, meine ich jedenfalls.
    Seither führt der relativ junge Olaf Raschke das hohe Amt in Meißen. Bislang vermittelt er uns auch ziemlich eindrucksvoll, dass ihm anscheinend ein stärkeres Durchsetzungsvermögen eigen ist als seinem Vorgänger. Sonach hegt gewiss das Gros der Einheimischen die legitime Erwartung, dass er niemals bevorzugt auf kleinkarierte Krämerseelen hört, denn sie haben in der Geschichte Meißens schon manchen Stillstand und teils sogar Rückschläge verursacht. Natürlich muss er in seiner Funktion auch deren Interessen berücksichtigen. Gleichwohl bleibt zu hoffen, dass sie niemals dominieren.
    Dies wiederum dürfte namentlich in Kleinstädten mitunter recht problematisch sein, weil sich nicht nur die Honoratioren gegenseitig kennen, sondern auch die spießigen Biedermänner bisweilen derart geballt auftreten, als wären sie fortwährend ein Herz und eine Seele. Ohnehin wird es niemals ein Mensch schaffen, mag er auch noch so clever und bemüht sein, es jedem Zeitgenossen recht zu machen. Immer und überall werden sich

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