Das Elbmonster (German Edition)
selbst konfrontiert wird. Aber das ist ja oftmals so: Wir brauchen zum Beispiel in einem unserer Atomkraftwerke erst einen Supergau, damit auch die letzten Zweifler endlich mitbekommen, dass ein absolut sicheres technisches System nirgendwo existiert, es sei denn, man verurteilt es zur Funktionslosigkeit. Damit sei der hohe Standard deutscher Anlagen nicht in Abrede gestellt. Andererseits haben wir die Gefahr potenzieller Terroranschläge noch gar nicht ins Spiel gebracht.
Für mich steht jedenfalls außer Frage: Auch im Gesundheitswesen sind in den neuen Bundesländern nach der Wende enorme Fortschritte zu verzeichnen. Wer das leugnet, ist ein Ignorant. Zu DDR-Zeiten musste ich einmal notgedrungen als Patient etwa zwei Wochen im ehemaligen Meißner Landkrankenhaus verbringen. Dort waren sage und schreibe insgesamt zehn Leidende in einem Zimmer eingepfercht. Im Vergleich dazu erweisen sich die heutigen Zustände in manchen Hospitälern und Sanatorien schon fast als paradiesisch. Sicher wird es regional noch enorme Unterschiede geben, denn nicht überall können die Einrichtungen so modern ausgestattet sein wie unser neues Krankenhaus. Dafür bezeichnend: Während eines Besuchs zum „Tag der offenen Tür“ sagte meine Angetraute auf der Geburtenstation: „Hier hätte ich meine Kinder auch gern zur Welt gebracht (anfänglich hat sie noch zu Hause entbunden).
Um jedoch in anderer Hinsicht nichts zu bagatellisieren, will ich ergänzend zu dem bereits Dargelegten noch ein paar Gedanken aus eigener Erfahrung zu Beschwernissen äußern, die nach einer radikalen Prostataentfernung bei Patienten auftreten können. Das wird vermutlich insbesondere die männlichen Leser interessieren. Auf umfangreiche Details will ich allerdings bewusst verzichten, denn es gibt ja genügend Fachliteratur dazu.
Jetzt also Klartext: Mein Dasein ist fortan etwa zwei Jahre lang mit Hoffen und Bangen geschwängert. Zudem will ich nicht leugnen, dass die kolossal herausgeschnittene Potenz nicht nur für mich, sondern bis zu einem gewissen Grade wohl auch für meine liebe Frau nahezu einer Katastrophe gleichkommt. Das bezieht sich nicht nur auf unser gewohntes Schäferstündchen, denn kaum weniger dramatisch sind die psychischen Auswirkungen meiner (vorübergehenden?) Impotenz. Und das trotz unseres Alters! Ehedem hatte ich glücklicherweise keinerlei Probleme mit meiner Erektion, was Sie, meine tapferen Begleiter auf unseren literarischen Pfaden, dieser Erzählung sicherlich schon mehrfach entnommen haben.
Hinzu kommt, dass es einem impotenten Mann generell schwerfallen dürfte, sich verstärkt auf andere Arten von Zärtlichkeiten zu orientieren, weil er instinktiv erwarten muss, bei der geliebten Partnerin tiefere Sehnsüchte zu wecken, die er nicht erfüllen kann.
Kurzum: Erst empfand ich körperliche Schmerzen, jetzt bohrt es ohne Unterlass in meiner Seele (von der momentan noch vorhandenen und demzufolge ebenso deprimierenden Inkontinenz gar nicht zu sprechen). Gleichwohl bleibe ich dabei: Es kann nicht immer nur die anderen treffen; hin und wieder muss man eben auch daran glauben. Und das Wichtigste: Ich lebe noch!
Obendrein empfinden es meine schönere Hälfte und ich mehr denn je als einen großen Segen, trotz beruflichen Ehrgeizes beizeiten für reichlich Nachwuchs gesorgt haben. Zwei Jungen und drei Mädchen sind unser ganzer Stolz. Keines der Kinder möchten wir jemals missen, mögen sie auch noch so unterschiedlich sein, denn wir sehen darin den entscheidenden Inhalt unseres Lebens. Umso bedauerlicher ist es, wenn Männer oder Frauen, die sich nach eigenem Nachwuchs sehnen, aus irgendeinem Grunde diesen einzigartigen Wunsch nicht erfüllt bekommen. Das ist regelrecht tragisch. Selbstredend können uns auch jene Damen und Herren echt leidtun, die vorsätzlich auf Kinder verzichten, weil sie anscheinend zu spät oder gar nicht merken, welch phänomenales Geschenk sie damit preisgeben. Gleichwohl steht es niemandem zu, sie deswegen zu schmähen. Das wäre ebenso anmaßend wie unredlich, denn zu guter Letzt muss jedem Erwachsenen in persona überlassen werden, wie er seine konkrete Lebensplanung umsetzt, eine individuelle Freiheit, die man keinem verwehren darf, selbst wenn uns die aktuelle Deformierung des deutschen Lebensbaumes noch so heftig unter den Nägeln brennt. Die hieraus folgende Katastrophe steht uns zwar noch bevor, doch es wäre ein fataler Irrglaube anzunehmen, sie resultiere vornehmlich aus subjektiven
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