Das Elbmonster (German Edition)
eben auch bewölkte Firmament.
Der sechste von den traditionell insgesamt zwölf Regenten des für uns beide unauslöschlichen Jahres 1955 schickte sich gerade an, sein allenthalben vertrautes Adieu zu verkünden, denn er hatte seinen Dienst ordentlich verrichtet und wollte sich wie immer bis auf Weiteres verabschieden, um vorübergehend den elf Nachfolgern Platz zu machen. Wir hingegen befanden uns unmittelbar im Startfeld einer nahezu sagenhaften Fügung des Schicksals. Juno, die betörende Gemahlin des Jupiter und sonach zugleich höchste römische Himmelsgöttin, schenkte offenbar nicht nur dem besagten Monat ihren entzückenden Namen, sondern Abel und mir auch jeweils die künftige Eheliebste.
Als wir nämlich mit unseren Fahrrädern in Polenz, einem idyllischen Dörfchen unweit von Meißen, einfuhren, bemerkten wir zu unserer höchst erquicklichen Überraschung zwei Grazien im Wipfel eines riesigen alten Kirschbaumes, den dunkelrote Früchte besonders üppig schmückten. Aber die Krone aller Pracht waren natürlich die beiden ungemein faszinierenden Geschöpfe. Für uns brunftreife Jünglinge ein regelrecht überwältigender Anblick. Kenner wird dies garantiert keine Sekunde verwundern, denn sie wissen, dass allein in Sachsen die schönsten Mädchen auf den Bäumen wachsen.
Um nichts in der Welt hätten wir unsere Tour einfach fortgesetzt. Dafür waren die zwei Engel viel zu attraktiv und auch bald zum Greifen nahe, denn selbstredend kletterten wir sogleich auf den Baum, damit nicht nur unser plötzlicher Appetit nach dem köstlichen Obst, sondern weit mehr die auflodernde Sehnsucht nach einem atemberaubenden Kuss von den verführerischen Evastöchtern gestillt würde. Und siehe da: Sie erwiderten anstandslos unser brennendes Verlangen! Offenbar lauerte Amor just im selben Geäst, wenngleich von keinem zu sehen, so doch hautnah und außerordentlich wonnenreich zu spüren, denn er feuerte seine schärfsten Pfeile jedem von uns mitten ins Herz. Wahrlich ein betäubender Freudentanz der Gefühle!
Es wären Zwillingsschwestern, glaubten wir anfangs, weil sie einander täuschend ähnlich sahen. In Wirklichkeit waren es getreue Freundinnen, die fortan unsere Lebenswege veredelten. Gut zwei Jahre später feierten wir ausnehmend glückselig Doppelhochzeit, denn wir blickten durchweg optimistisch in die Zukunft.
Mittlerweile sind mehrere Jahrzehnte verflossen. Doch Abels Ehebund war und meiner ist erfreulicherweise fester denn je, wiewohl sie seinerzeit nur standesamtlich besiegelt wurden. Allenfalls hat der himmlische Vater seine schützende Hand sogar über uns Atheisten gehalten. Wer kann das schon so genau wissen? Auch wenn er damals keinem von seinen vielen emsigen Dienern auf Erden die Chance einräumte, uns kirchlich zu segnen, hatten wir gottlob niemals einen wirklich triftigen Grund, getrennte Wege zu gehen. Das einst feierlich beeidigte Gelöbnis, in guten wie in schlechten Zeiten füreinander da zu sein, sollte halten, bis der Tod uns scheidet.
Offenkundig ist ein derart überwältigendes Geschenk keineswegs bloß einigen Auserwählten beschieden, wie etwa der ehrwürdigen Zweisamkeit von Hannelore und Helmut Schmidt (seine gütige „Loki“ verstarb im Oktober 2010). Es wird erfreulicherweise auch unzähligen anderen Paaren zuteil, die sich nicht minder liebevoll gegenseitig tragen und ermutigen, um ihren Bund fürs Leben im wohlerwogenen Einklang mit allen Höhen und Tiefen irdischen Daseins sinnträchtig zu gestalten. Zu ihnen gehörte ganz bestimmt auch die Ehe unseres literarischen Helden Abel mit seiner herzerfrischenden, immer auf neue Art entzückenden Ulrike. Doch genau darauf bezogen, wurde er von einer fast unglaublichen Schicksalfügung überrascht, eine Heimsuchung, die man sich grauenvoller kaum vorzustellen wagt.
Um von diesem außergewöhnlichen Mann noch mehr zu erfahren, sollten wir ihm jetzt behutsam etwas näher treten, ohne seine Intimsphäre zu verletzen!
Auf voyeuristische Einblicke sind wir vielleicht generell nicht übermäßig erpicht. Oder zuweilen doch? Nun, wie dem auch sei, mir dürfte kaum gegeben sein, solcherlei Wünschen annehmbar zu entsprechen. Ehrlich gesagt, ich will es auch gar nicht. Das vermögen andere Leute nachweislich viel besser als ich es jemals könnte, so zum Beispiel die fraglos hübsche TV-Moderatorin Charlotte Roche. Immerhin konnten von ihrem offenherzigen Bericht über die mannigfachen Folgen einer missglückten Intimrasur unter dem
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