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Das Elfenportal

Titel: Das Elfenportal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbie Brennan
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einem Palast erwarten würde, war nichts zu sehen. Keine Dienstmädchen, keine Lakaien, keine Butler, keine Höflinge, gar nichts.
    Es war, als wären alle… ausradiert worden.
    Henry öffnete eine weitere Tür und wäre beinahe in einen Wäscheschrank hineingelaufen. Er machte die Tür wieder zu, drehte sich um und rief: »Hallo…?« Er wartete. »Hallo…? Hallo…? Ist da jemand?« Seine Stimme hallte nicht – dafür gab es hier zu viele Teppiche und Vorhänge –, aber einsam hörte sie sich trotzdem an. Wo waren die denn alle? In einen Palast von dieser Größe hätte es doch von Leuten nur so wimmeln müssen.
    Er streifte weitere zehn Minuten durch die Gänge, dann kam ihm der Verdacht, dass er im Kreis ging – das Gemälde eines Einhorns kam ihm schrecklich bekannt vor. Er war immer noch keiner Menschenseele begegnet. Er ging verbissen weiter, wurde aber immer nervöser.
    An einer Kreuzung hatte er den Eindruck, von Ferne eine Stimme gehört zu haben. Er blieb stehen und lauschte. Nichts. Er wartete. Immer noch nichts. Dann hörte er es erneut: nicht eine Stimme, sondere mehrere. Und Lachen.
    Erleichterung überlief ihn wie eine Welle. Bis zu diesem Moment hatte er gar nicht gemerkt, wie ängstlich er in diesem riesigen, verlassenen Palast geworden war. Aber jetzt, da er wusste, dass hier Menschen waren, ging es schon wieder. War es Pyrgus? Schwer zu sagen, doch das Lachen kam ihm ein wenig zu hoch vor für Pyrgus und definitiv zu hoch für Mr Fogarty. Aber wer diese Leute auch waren, sie würden ihm weiterhelfen. Erst recht, wenn er ihnen sagte, dass er ein Freund von Prinz Pyrgus war.
     
    Henry hatte noch nie ein nacktes Mädchen gesehen. Sie stand am Rand eines Wasserbeckens, das im Kreuzungspunkt von vier Fluren lag und von zahlreichen Säulen umgeben war. Ihr Haar war kastanienbraun, ihre Augen groß und dunkel. Sie hatte ein nettes Gesicht. Mehrere andere Mädchen – die zum Glück bekleidet waren – bereiteten ihr Bad vor und banden ihr die Haare zurück. Sie unterhielt sich ganz ruhig und vertraut mit ihnen.
    Henry konnte den Blick nicht von ihrem Körper abwenden. Er wusste, dass er nicht hinsehen durfte, aber er hatte keine Ahnung, wie er das verhindern konnte. Ihr Körper war so anders geformt als der Körper eines Jungen. Sein Gesicht brannte vor Verlegenheit, und trotzdem konnte er nicht weggucken. Sein Herz klopfte und ihm zitterten die Hände. Er spürte, wie ihm die Knie weich wurden.
    Sie trat in das dampfende Wasserbecken. Sie musste ungefähr in Henrys Alter sein, vielleicht etwas jünger. Sie war nicht besonders groß, aber er fand, sie bewegte sich mit Anmut. Er fand, sie bewegte sich mit wunderbarer Anmut. Das Wasser ging ihr bis an die Waden, dann bis an die Knie, an die Schenkel, dann ließ sie sich ins Wasser sinken und machte ein, zwei Schwimmzüge. Schon drehte sie um und lehnte sich gegen den Rand zurück, so dass nur noch ihr Kopf aus dem Wasser schaute.
    Henry hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Er war doch kein Spanner. Er wusste, dass es unfair war, sie so zu beobachten, wusste, dass er sich besser umdrehen und weggehen sollte (leise, damit sie nicht merkte, dass sie so ein dahergelaufener Typ nackt gesehen hatte). Er wusste, dass er das tun sollte, aber irgendwie wollten ihm seine Beine nicht gehorchen.
    Er musste etwas unternehmen. Er konnte hier doch nicht rumstehen und ewig weitergucken. Ganz egal, wer sie war, das war unfair. Er musste aufhören, sie anzustarren, und weggehen.
    Henry ächzte.
    Eines der Mädchen schaute auf und sah ihn.
     
    »Was hältst du davon?«, fragte Apatura Iris, der Purpurkaiser.
    »Genau genommen, Majestät«, sagte Tithonus, »stand es Ihrer durchlauchtigsten Hoheit durchaus zu, eine Einheit der Kaiserlichen Kommandotruppen zu befehligen. Als Tochter des Kaisers ist sie ihre Oberbefehlshaberin. Eigentlich nur ein Ehrentitel, gewiss, aber – «
    Der Purpurkaiser winkte ab. »Ich rede nicht von den Kommandotruppen«, sagte er. »Um ehrlich zu sein, wenn sie schon diese albernen Ausflüge unternimmt, dann lieber unter deren Schutz. Ich wollte wissen, was du von der Geschichte hältst, die sie mitgebracht hat.«
    »Von dem angeblichen Mordanschlag?«
    »Angeblich? Dann hältst du das für eine bloße Behauptung? «
    Tithonus seufzte. »Ich halte Jasper Chalkhill jedenfalls nicht gerade für eine verlässliche Quelle.«
    »Er hat die Behauptungen aus freien Stücken aufgestellt«, sagte Apatura. »Oder glaubst du meiner Tochter

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