Das Elfenportal
seiner Heimat entfernt? Vielleicht dauerte es Wochen oder sogar Monate, bis er zu seinem Vater gelangen und ihn warnen konnte.
Wenn er es überhaupt zurück schaffte…
Pyrgus hatte ein optimistisches Gemüt, aber er wusste auch, dass er realistisch sein musste. Er war in einer Landschaft unterwegs, die beinahe so kahl wie eine Wüste war. Dämpfe benebelten seinen Verstand und er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. In seinem Rucksack befanden sich Lebensmittel – wenn man sie denn so nennen wollte –, die bei strenger Einteilung vielleicht zwei oder drei Tage reichten. Dann würde er hungern oder jagen müssen, und bis jetzt hatte er in dieser unbewohnten Gegend nicht einmal eine Grunzratte gesehen, geschweige denn ein essbares Tier.
Und was noch viel schlimmer war: Er hatte bisher kein Wasser gesehen und nicht einen Tropfen dabei. Ohne Wasser würde er keine Woche durchhalten. Jetzt, da die Sonne dicht am Horizont stand, war es einigermaßen kühl, aber morgen Mittag würde sie ihm die Feuchtigkeit rasch aus dem Körper ziehen.
Er warf einen Blick zur Sonne hinauf. Sie hing immer noch an genau derselben Stelle am Himmel, als wäre die Zeit stehen geblieben.
Wasser war am wichtigsten. Wasser brauchte er zum Überleben. Ohne Wasser würde er seinen Vater nie erreichen, nie warnen können, würde er nie herausfinden, wer hinter dem Mordanschlag steckte, nie. Er brach diese Gedankengänge ab und konzentrierte sich mit Mühe auf die Gegenwart. Vielleicht konnte er ein wenig Flüssigkeit aus den merkwürdigen Pflanzen pressen, aber das durfte nur der letzte Ausweg sein, denn er hatte keine Ahnung, ob sie giftig waren. Was er wirklich brauchte, war ein Bach oder ein See oder…
Oder ein Brunnen!
Die Ruinenstadt musste einst über Wasser verfügt haben! Die Erbauer hatten damals sicher Zisternen zum Sammeln von Regenwasser anlegen lassen, aber es mussten doch auch Brunnen gegraben worden sein. Und selbst wenn die meisten von ihnen vielleicht längst ausgetrocknet waren: Es bestand eine winzige Chance, vielleicht doch noch einen zu finden, der Wasser führte.
Er machte sich auf den Weg hinunter zur Stadt. Ihm kam der Gedanke, dass er mit etwas Glück ja vielleicht über eine Inschrift stolpern würde, die ihm einen Hinweis darauf gab, wo er sich befand. Wenn er erst einmal Wasser hatte und wusste, wo er war, dann würde er auf jeden Fall auch nach Hause finden, ganz egal, wie weit es war. Irgendwie.
Aus der Nähe war die Stadt noch beeindruckender. Mehrere Bauwerke bestanden aus massiven Steinen, die wie Puzzleteile geschnitten waren. Sie schienen nicht vermörtelt worden zu sein und doch saßen sie perfekt. So etwas hatte er noch nie gesehen, obwohl es im Reich seines Vaters etliche beeindruckende Großbauten gab, den Palast eingeschlossen. Er fragte sich, wie alt diese Ruinen wohl waren – tausend Jahre? Zehntausend Jahre?
Er wollte systematisch vorgehen, also fing er bei dem stehen gebliebenen Stadttor an und folgte langsam der Hauptstraße, die zu dem zentralen Platz führte. Es gab zwei mögliche Arten von Brunnen. Die einen wären riesig und stellten die städtische Wasserversorgung sicher. Sie würden sich wahrscheinlich irgendwo im Zentrum befinden. Aber es musste auch noch andere Brunnen geben. Manche Familien, vor allem die wohlhabenden, hatten sicher ihre eigene Wasserversorgung: Brunnenschächte in unmittelbarer Nähe ihrer Häuser, vielleicht sogar innerhalb der Häuser. Diese Brunnen wären es wohl, in denen jetzt noch am ehesten Wasser stand. Von den städtischen Brunnen erhoffte Pyrgus sich nicht mehr allzu viel.
Er ging langsam weiter und hielt nach Wohnhäusern Ausschau. Sie waren nicht so leicht zu finden, wie er gedacht hatte. Die Stadt musste mehrere tausend Einwohner gehabt haben, aber die hatten zumeist in kleineren, weniger massiven Häusern gewohnt – die als Erstes zu Schutt zerfallen waren. Jetzt ließen sich nur noch Teile der massiven Stadtmauer, einzelne Gebäude von Tempelanlagen, alte Fabriken, Sternwarten und so weiter erkennen. Viele waren so stark zerstört, dass sich kaum mehr ein Gebäudetyp vom anderen unterscheiden ließ. Meist waren nur noch ein paar Steinplatten oder Abschnitte von Außenmauern übrig.
Ein Viertel jedoch sah noch recht viel versprechend aus. Die Gebäude waren auch hier vollständig zerfallen, ließen aber den Grundriss erahnen. Diese Grundrisse waren es, die seine Aufmerksamkeit auf sich zogen, denn sie deuteten auf eine dichte Bebauung mit
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