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Das elfte Gebot

Das elfte Gebot

Titel: Das elfte Gebot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lester del Rey
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allmählich, kehrte Ruhe ein. Mort war offensichtlich noch immer da, doch eine andere Präsenz bewegte sich hinter ihm – eine große Gestalt, die einen hohen Hut trug und einen schweren Wasserschlauch auf dem Rücken, der mit etwas gefüllt war, das Boyd als ‚Hexengebräu’ bezeichnete. Wie Mort das bewerkstelligt hatte, wurde Boyd niemals ganz klar; irgendwie war er abgelenkt gewesen, als Mort irgendeine Puppe an seine Stelle gesetzt hatte und hinter sie geschlüpft war. Vielleicht bemühte er sich, ein Hexenmeister der zweiten Generation zu werden.
    Nun erhoben die Versammelten sich und erflehten die magische Hilfe des Alten Abe für ihre Probleme. Einige, die Kleider trugen, schienen ebenfalls von Freunden mitgebracht worden zu sein, doch die Nackten hatten Probleme genug, von denen sie berichten konnten. Für jene, die Probleme mit der Liebe hatten, hatte Abe ein paar Vorschläge parat, die auf einer verqueren, sympathetischen Magie zu beruhen schienen. Die anderen Bittsteller, meistens mit medizinischen Problemen, überraschten Boyd. Sie schienen tatsächlich an die Wirkung der Kräutermixturen, die sie bekamen, zu glauben. Wahrscheinlich halfen die meisten überhaupt nicht, aber einige würden wohl zumindest dazu beitragen, daß die Patienten sich besser fühlten. Später verfiel dann der Alte Abe – oder Mort – in eine mit hohler Stimme vorgetragene Lektion im Hexen, die auf einem beachtlichen Verständnis der Furcht vor dem Aberglauben beruhte. Boyd war fasziniert.
    Was danach geschah, war weitaus weniger interessant. Die Angelegenheiten wurden unglaublich unwichtig, wenn die Audienz auch immer wilder wurde und ihren Haß auf die Autoritäten offen hinausschrie. Wahrscheinlich begannen die Drogen zu wirken. Wenige Minuten später begann jemand einen wilden, formlosen Tanz, in den die meisten Leute einfielen.
    Plötzlich brach die Vettel in einen Schrei aus. „Segen! Opfer! Mamba, Mamba!“
    Danach hackte sie die Ratten in kleine Stücke, während das zahme Tier sich an dem Gemetzel beteiligte. Boyd mochte Ratten nicht übertrieben gern, doch sein Magen revoltierte angesichts dieser sinnlosen Grausamkeit. Doch für die Gruppe war es ein ungemein anfeuerndes Ereignis; wahrscheinlich brach jede Demütigung, die diese Menschen in ihrem Leben erfahren hatten, nun aus ihnen hervor, beim Anblick des Schmerzes, der einer Kreatur zugefügt wurde, die sich nicht wehren konnte. Der Finstere Herr schien das Opfer anzunehmen, er trank davon. Dann warf er etwas in den Kelch voller Rattenblut und reichte ihn an die Menge weiter.
    Innerhalb einer Minute lagen zwei Frauen auf dem Boden, sie schrien und stöhnten, andere gesellten sich zu ihnen. Männer sanken auf die Knie und krochen brüllend und keuchend auf die Frauen zu. Der Finstere Herr wartete, bis eines der jüngeren Mädchen in seine Nähe kam, dann schnappte er sie und warf sie auf den Tisch. Das war das Zeichen für die anderen. Was folgte, war eine Orgie nackter, ungezügelter Lust mit unaufhörlich wechselnden Partnern, gegen die die Zusammenkunft der Evangelisten sich ausnahm wie ein Konfirmandenausflug. Aber es war mehr pathetisch als revoltierend.
    Boyd schlüpfte unbemerkt hinaus und bahnte sich seinen Weg durch den Tunnel zurück, den Mort freigelegt hatte. Hinter ihm verblaßten die Geräusche.
    Wenn das tatsächlich eine Probe der Hexerei gewesen war, dann war die Amerikanische Katholische Eklektische Kirche für immer sicher davor, und das elfte Gebot würde keine Opposition im ganzen Land finden. Es schien unglaublich, daß eine absolutistische Macht ohne effektive Opposition herrschen konnte, doch genau das schien hier der Fall zu sein.

16
     
     
     
    Eine überraschend große Anzahl von Menschen war auf der Straße, doch Boyd widmete ihnen kaum Aufmerksamkeit. Er nahm kaum zur Kenntnis, wenn er von kleinen Grüppchen zur Seite gedrängt wurde. Im Falle von Gewalt gegen seine Person hatte Buckel-Pete ihm einige wirksame Verteidigungsmaßnahmen beigebracht. „Männer wie ich müssen lernen, auf sich aufzupassen“, hatte er gesagt. „Wir können uns nicht wie andere auf unsere Kraft verlassen.“ Boyd hatte schnell gelernt, und seine gestärkten Muskeln gaben ihm eine zusätzliche Beruhigung. Er war zwar gegen Smith unterlegen, doch hier waren Messer und Knüppel die einzigen Waffen, ein paar Galgenvögel verwendeten Stricke. Boyd bewegte sich fast so ungezwungen, wie er das auf einer marsianischen Straße getan hätte. Ein- oder zweimal

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