Das elfte Gebot
gewöhnen müssen. Die Wache, die ihn hergebracht hatte, überprüfte die Tür und schlug sie endlich mit einem dumpfen Knall zu.
Boyd ging zu der kleinen Öffnung. „Sie waren sehr freundlich“, rief er hinaus. „Vielen Dank.“
Die Augen des Mannes weiteten sich ein wenig. Er verbeugte sich. „Viel Glück, Dr. Jensen“, sagte er.
Er ließ Boyd allein mit seinen Gedanken zurück, und diese waren mehr als bitter. Er hatte noch nicht einmal die Befriedigung, sich selbst hassen zu können, weil er ein solcher Narr gewesen war. Er hatte getan, was unvermeidbar gewesen war, und er hatte mit den besten Informationen gearbeitet, derer er hatte habhaft werden können. Aber in dieser Welt war ganz offensichtlich nichts jemals richtig oder sicher. Mort hätte wissen müssen, wie man einer Entdeckung vorbeugte, wenn überhaupt jemand, dann er. Der Mann hatte schließlich sein ganzes Leben mit zwielichtigen Geschäften außerhalb des akzeptierten Kodexes zugebracht, und Boyd war noch vorsichtiger gewesen als er. Trotzdem hatten sie nie eine Chance gehabt. Irgendwie war die Nachricht von den neuen Drogen, die so gut waren, an die Ohren der Behörden gelangt, und die unglaubliche Effizienz der kirchlichen Organe lag weit über dem von Mort Vermuteten.
Es war keine Logik hinter dieser offensichtlichen Effizienz zu entdecken, wenn man andererseits keine Aufzeichnungen über Ellens Versuch, ihr Baby zu stehlen, hatte. Dieses Problem konnte zumindest Boyd durch Logik nicht lösen. Die Priester mußten wissen, was sie getan hatte, aber anscheinend hatten sie es weder als Sünde noch als Verbrechen eingestuft, während sie gegen ihn wirklich alles aufgelistet hatten, was man sich nur vorstellen konnte. Alle Widrigkeiten, die sie beide durchgemacht hatten, um Ellen vor einer Entdeckung durch die Behörden zu schützen, waren zwecklos gewesen.
Aber das hatte er nicht wissen können, und diese Tatsache vertiefte seine Bitterkeit nur noch. Sie war hier geboren worden und hatte ihr Leben vor dem Hintergrund des herrschenden Kodexes verbracht. Sie hatte angenommen, daß sie sich verstecken mußte; auch Mort hatte es als gegeben angesehen, daß sie sich in ernster Gefahr befand; und Boyd war gezwungen gewesen, beider Wort als bare Münze zu nehmen, weil er keinen Weg gesehen hatte, weiter nachzuforschen, ohne zuviel preiszugeben.
Kein Wunder, daß es nur ganz wenigen Verbannten des Mars auf der Erde gut ergangen war, wenn nicht einmal die Einheimischen die Basisfakten ihrer eigenen Existenz erfassen konnten.
Das Essen wurde ihm gebracht. Er aß, hungrig, überrascht, daß sein Appetit nicht beeinträchtigt war. Sein gesunder Menschenverstand sagte ihm, daß er eigentlich durchaus besorgt sein sollte. Er hatte keine klare Vorstellung davon, was er als Strafmaß zu erwarten hatte, doch von den wenigen Hinweisen und Gerüchten, die er vom Hörensagen kannte, wußte er, er hatte keine Gnade zu erwarten. Er konnte nur hoffen, daß man Ellen nicht zu schlecht behandelte, denn er fühlte, er würde niemals mehr erfahren, ob dies so war oder nicht. Aber daran dachte er lieber nicht.
Zwei Wachen erschienen an der Tür und bedeuteten ihm, ihnen zu folgen. Beide waren Priester, aber nur schwerlich von einem höheren Kaliber. Der eine machte das Zeichen gegen den bösen Blick in seine Richtung, der andere befingerte unaufhörlich nervös sein Kruzifix. Ihre Gesichter waren aufgedunsen und nicht besonders intelligent.
Er folgte ihnen einen langen Korridor entlang, danach eine Stufenflucht hoch. Oben war eine offene Tür, durch die sie ihn hindurchführten. Dahinter befanden sich zwei kleine Räume. In dem inneren Raum warteten einige Männer auf ihn, zusammen mit einer Ausrüstung, deren Zweck er nicht erraten konnte. Tief einatmend, betrat er das Zimmer und studierte den schweren Mann hinter dem Pult. Dessen Gesicht war offen und freundlich, mit einem Unterton der Sorge, die Uniform, obwohl schwarz wie die eines Militärpriesters, war aus einem teuren Stoff und ausgezeichnet geschnitten. Der zweite Mann trug die blaue Robe eines Doktors. Der dritte war offensichtlich nur ein untergeordneter Beamter. Sein rauhes schwarzes Kostüm schien zu klein für seinen muskulösen Körper zu sein, sein Gesicht war ausdruckslos und dumm.
Der schwergewichtige Mann erhob sich und winkte Boyd herein. „Kommen Sie herein, Dr. Jensen. Ich bin Bischof Swartz. Ihren Verteidiger kennen Sie ja bereits.“
Den Namen kannte er – Swartz war der Kopf der
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