Das elfte Gebot
Stimme fast ruhig. „Ich versuche nicht nur, uns am Leben zu halten, Ellen. Ich versuche, einen Ausweg für uns zu finden. Wenn wir dich nicht irgendwie rehabilitieren können, werden wir einen Weg suchen, das Land zu verlassen. Es gibt noch immer einen gewissen Handel mit Asien, und die benötigen Zytologen weitaus dringender als Bonaforte. Vielleicht können wir auch ein wenig Hilfe von den Hexenklans an der Westküste bekommen. In diesem Fall würdest du mich nicht heiraten müssen – du hast Erfahrung genug, um auf dich selbst aufzupassen.“
„Ich möchte mein Baby nicht als einen Asiaten großziehen“, sagte sie zornbebend. „Nein!“
Sie war ein Genie im Auftürmen von Hindernissen bei vernünftigen Diskussionen, dachte er. „Du kannst es nicht herausholen. Hör auf zu phantasieren!“
„Nicht jenes. Das habe ich für immer verloren.“ Sie berührte zärtlich ihren Bauch. „Dieses. Dieses, das ich jetzt in mir trage.“
„Jetzt bist du wohl vollkommen übergeschnappt!“
„Und du bist ein unnatürlicher Vater. Aber das wußte ich ja schon lange.“
Das mußte ihrer Phantasie entsprungen sein. Keine Frau, die einmal verheiratet gewesen war, konnte derartig ignorant gegenüber den Tatschen des Lebens sein. Und ganz sicher nicht Ellen. Aber bei ihr war er sich mittlerweile mit nichts mehr sicher. „Nur weil du hier mit mir zusammenlebst? Unsinn!“
„Sei nicht dumm. Du weißt, wann es passiert ist.“ Bei seinem ungläubigen Blick nickte sie zustimmend. „Und ich rate nicht. Es gibt da einen einfachen Test, den wir alle bei uns tragen. Ich werde tatsächlich dein Kind zur Welt bringen.“
Er versuchte sich zu erinnern. Die Droge war fast aufgebraucht gewesen, doch eigentlich hätte sie noch eine Woche sicher wirken müssen. Eine außergewöhnlich harte Arbeit hatte er auch nicht getan, oder …
Die Erkenntnis traf ihn wie ein Hammerschlag. Er hatte noch immer Maßstäbe angelegt, die seiner Lebensweise auf dem Mars entsprachen. Aber hier kostete ihn jeder Schritt fast dreimal soviel Kraft. Der Schutz mußte wirkungslos geworden sein, lange bevor er daran gedacht hatte. Es könnte sein Kind sein. Aber er konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen.
„Sagen wir mal, du wirst irgend jemandes Baby bekommen. Mal sehen. Da war dieses Festival. Und zu wie vielen Treffen bist du noch gegangen? Und was, weiß Gott, könnte noch alles passiert sein.“
Dieses Mal erwartete er einen Zornesausbruch ihrerseits. Sie wollte auch schon aufbrausen, besann sich dann aber und stand zitternd vor ihm.
„Ich wollte zu anderen gehen. Oh, wie sehr wollte ich das! Als ich auf der anderen Straßenseite stand und zugesehen habe, wie du diese Marian auf dein Zimmer gebeten hast, da wollte ich mit einem Dutzend Männern gehen. Aber ich konnte es nicht.“
„Ich wollte Marian nicht wirklich“, sagte er. „Das war Teil eines Geschäftes, das schiefgelaufen ist.“
„Das weiß ich, wenigstens nehme ich es an.“
Sie ging zu der kleinen Fensternische und blieb dort mit dem Rücken zu ihm stehen. Die Stille zog sich hin, während er sich bemühte, die Fetzen, die sie ihm mitgeteilt hatte, zu einem Ganzen zusammenzufügen. Nach allem, was er wußte, lachte sie ihn noch immer aus, sogar jetzt. Er konnte aber ihr Gesicht nicht sehen, nur ihren Rücken und ihre Hüften.
Dann spielte auf einmal alles keine Rolle mehr. „Ich wollte dich heiraten, Ellen. Daher bat ich dich, hier heraufzukommen, um dir das in aller Abgeschiedenheit sagen zu können. Und als ich dir gesagt habe, daß ich dich liebe, da meinte ich das auch so.“
Sie wandte sich um und sah ihn an. Sie lachte nicht.
„Auch mir war es ernst, Boyd. Immer. Ich glaube, du bist der einzige Mann, den ich jemals wollte. Das erste Mal habe ich nur geheiratet, um von Mort wegzukommen. Ich habe sogar versucht, dich anzuspornen, mich zu fragen. Es schmerzte, als du das nicht getan hast, aber ich wollte dich auch ohne Heirat. Es machte mich krank, an so etwas zu denken, aber dich nicht zu haben, machte mich doppelt so krank. Es war nicht das Treffen – es ging nur um dich und mich. Und hinterher konnte ich nicht mehr klar denken – ich schämte mich so und war doch so glücklich. Darum bin ich weggelaufen, als wir uns gestritten haben. Aber ich wäre wieder zu dir gekommen, trotz allem, wenn du mir nicht gezeigt hättest, daß du mich nicht einmal für menschlich hieltst. Nach dieser Nacht habe ich dich nicht gehaßt – ich fürchtete mich nur vor dem, was du mit
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