Das Elixier der Unsterblichkeit
hatte vereitelt werden können.
Die Verschworenen wurden verhaftet und grausam bestraft. Sie mussten mit ansehen, wie ihre Frauen und Kinder gefoltert, verstümmelt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Anschließend waren sie an der Reihe und wurden der gleichen Behandlung unterzogen.
Torquemada beschloss, das Verhör Salmans selbst zu leiten. Er sprach freundlich – es klang, als fühlte er ein gewisses Mitleid mit dem Angeklagten – und versprach, Salman vor der Folter zu bewahren, wenn er die ganze Wahrheit berichte, alles, was er wisse, alles, was für das Heilige Amt von Bedeutung sein könne, vor allem, wer er selbst sei, woher er komme und warum man ihn den Wandernden Juden nenne, wer den Plan, den Großinquisitor zu ermorden, geschmiedet habe, weshalb ausgerechnet er den Auftrag erhalten habe, die Freveltat auszuführen.
Salman wurde von einem leichten Unwirklichkeitsgefühl erfasst, und einen Augenblick lang war er nicht sicher, ob er bei allen Sinnen war und ob das, was er gerade erlebte, in der Wirklichkeit geschah.
Er versuchte, an die vielen hunderte, ja tausende von Juden zu denken, denen er begegnet war; die weinend auf die Knie gefallen waren, nachdem sie ihre Lieben und ihren Besitz verloren hatten, und ihn um Hilfe anflehten. Ja, dachte er, ich bin ihnen allen begegnet, Handwerkern und Hausierern, Rabbinern und Ärzten, mutigen Frauen und verängstigten Kindern – alle gehören zu einer Bruderschaft des Leidens.
Er antwortete Torquemada freundlich und versprach, absolut wahrhaftig zu sein. Er gab an, Salman de Espinosa zu heißen und vor hundertsechzig Jahren in Granada geboren worden zu sein, erklärte, dass er der Wandernde Jude genannt werde, da er niemals ritt, sondern zu Fuß ging, er berichtete, dass der Mord am Großinquisitor von allen Juden in ganz Spanien geplant worden sei und dass der Auftrag an ihn ergangen sei, da er niemals sterben könne.
Torquemada wurde rasend vor Wut und befahl dem Folterknecht, Salman sofort zu entkleiden, ihn mit dem Rücken aufs Rad zu flechten, Arme und Beine mit einem Seil gebunden. Dann bot er Salman an, Gnade walten zu lassen, wenn dieser sich an die Wahrheit hielte.
Salman antwortete, das Verbrechen, für das er bald verurteilt werde, sei nicht, dass er ernsthaft überlegt habe, den Großinquisitor zu ermorden. Sein großes Verbrechen sei, so unterstrich er, dass er am Jüdischen festhalte und die jüdischen Traditionen befolge.
Torquemada brüllte: »Ich werde alle Juden auf den Scheiterhaufen schicken und dafür sorgen, dass das Feuer euren hasserfüllten Glauben vernichtet.«
»Bildet Euch nicht zu viel ein«, sagte Salman freundlich. »Es wird immer Männer und Frauen wie mich geben. Ihr hingegen werdet verschwinden. Bald werden Würmer sich an Eurem Fleisch satt essen, und Eure Reste werden von den Flammen verschlungen.«
Torquemada gab dem Folterknecht den Befehl, sofort zu beginnen, und verschwand schnellen Schrittes. Vier Folterknechte misshandelten Salman acht Tage lang ununterbrochen, ohne dass sie ihn zu brechen vermochten. Er war die ganze Zeit bei Bewusstsein und lobte die Folterer für ihr gekonntes Handwerk. Am neunten Tag warfen sie seinen verwüsteten Körper ins Feuer. Den offiziellen Dokumenten zufolge wurde er von der Inquisition als Ketzer und Zauberer zum Tode verurteilt, weil er beim Pessachritual ein geweihtes Abendmahlsbrot benutzt habe, um die Mächte des Himmels anzurufen.
DIE WIRKLICHKEIT ÜBERTRIFFT DIE PHANTASIE
Einen Monat später – ich habe es wohl schon erwähnt – feierte Salman den Sabbat bei Freunden in Dubrovnik, um danach mit seinem langen, dunklen Mantel die Landstraßen an der Adriaküste zu fegen, durch kleine weiße Städte zu wandern, die in träumerischen Alltag versunken waren, und unter gläubigen Juden das siebte Buch Mose zu verbreiten, dieses äußerst eigenartige Buch, das er selbst verfasst hatte.
Im Herbst 1995 sendete der spanische TV-Kanal RTVE eine Kurzserie über das Leben Tomás de Torquemadas. Der bekannte Journalist Juan Cruz Ruiz war einige Monate lang auf den Spuren des Großinquisitors durch das Spanien des 15. Jahrhunderts gereist. Ich machte Urlaub in Madrid und sah den letzten Teil eines späten Abends auf dem Hotelzimmer. Es fehlte an nichts, weder an gründlichen Analysen noch an dramatischen Szenen. Man konnte fast den Geruch von verbranntem Menschenfleisch vom Scheiterhaufen riechen.
Hier erfuhr ich, dass Torquemada im September 1498 eines natürlichen Todes
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