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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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den Beschluss zu verkünden, dass in allen Dörfern des Landes Inquisitionsgerichte eröffnet werden sollten.
    Die Verschworenen waren sich einig, dass der rechte Augenblick, um Torquemada zu töten, der Moment sei, wenn er die Stufen zur Kathedrale hinaufstieg.
    Salman war nervös. Er lag zusammengekrümmt unter einer Decke auf einem Wagen, der direkt bei der Treppe der Kathedrale stand. Er hatte noch nie einen Menschen umgebracht. Einem Menschen etwas anzutun widersprach seiner Natur. Deshalb versuchte er, sich Torquemada nicht als einen Mann aus Fleisch und Blut vorzustellen, der Mitleid verdiente, sondern als Handlanger des Todes. Er selbst war der erbitterte Feind des Todes. Er hatte den Tod immer gehasst, und jetzt spürte er den Hass in sich hämmern. Das Gefühl war so stark, dass es sein eigenes Leben in der Brust zu führen schien. Dieser Hass, diese Lawine menschlicher Wut, überlagerte seine Aufmerksamkeit. Er bemerkte nicht, dass die vielen hundert Soldaten, die sich auf dem Platz vor der Kathedrale versammelt hatten, seine Mithelfer festgenommen hatten und sich jetzt dem Wagen näherten, auf dem er sich versteckt hielt.
DIE FOLTER
    Am Tag vor Torquemadas großer Rede wurde Clara de Monteforte auf dem Marktplatz verhaftet. Die Männer der Inquisition, die unter anderem den Markthandel überwachten, hatten sie schon lange beobachtet, da man den Verdacht hegte, sie sei eine Marranin und würde in ihrer Küche nach wie vor jüdische Gerichte zubereiten. Zu diesem Verdacht hatte der Bericht des Gemüsehändlers José Almeidas geführt, aus dem hervorging, dass Clara, im Unterschied zu anderen Frauen des Viertels, die Angewohnheit habe, den geflochtenen Korb an bestimmten Tagen mit Mengen von Zwiebeln und Knoblauch zu füllen. Die Einkäufe deckten sich bemerkenswerterweise mit den jüdischen Festtagen.
    Clara war ahnungslos an diesem frühen Morgen, denn sie war zu sehr damit beschäftigt, Gemüse und Fleisch für das bevorstehende Osterwochenende einzukaufen. Sie sah die drei Männer nicht, die sie umringten, als sie eine große Knoblauchknolle prüfte, die sie kaufen wollte. Die Männer packten sie grob. Sie schrie und versuchte, sich loszureißen, und hätte beinahe José Almeidas’ Gemüsestand umgeworfen. Als ihre wilden Proteste nichts halfen, biss sie einem der kräftigen Männer in den Arm. Der wurde wütend, verpasste ihr einen harten Schlag gegen den Kopf, und sie sank bewusstlos zu Boden. Die Männer schleppten sie ins Kellergewölbe des Klosters San Isidros und sperrten sie dort ein. Dann begaben sie sich zusammen mit vier Soldaten zu Claras Haus, um ihren Mann zu verhaften, den Kartenzeichner Pedro de Monteforte, und ihre drei Söhne. Die Familie wurde brüsk in einen kleinen Raum geschoben, in dem sich schon fast fünfzig Gefangene befanden. Gebrüll erfüllte das enge, dunkle Verlies. Die Menschen übertönten sich gegenseitig mit Schreien und bettelten darum, freigelassen zu werden. Männer beteuerten ihre Unschuld, Frauen murmelten katholische Gebete, Kinder weinten.
    Schon am selben Nachmittag wurden Clara und Pedro de Monteforte von Soldaten abgeholt und gefoltert. Ein Folterknecht schlug Clara mehrmals mit einer Eisenstange an den Kopf. Sie blutete stark aus den Ohren und ihr Gehör schwand. Der Inquisitor war gezwungen, in ihr Ohr zu schreien, um sich verständlich zu machen. Sie gab kein Wort von sich, denn sie wusste nicht, was sie sagen sollte, starrte nur mit tränennassen Augen vor sich hin. Das einzige, woran sie dachte, war, dem Folterknecht ins Gesicht zu spucken, doch ihr Mund war trocken.
    Pedro, der zu den Verschworenen gehörte, war nicht aus dem gleichen harten Stoff. Ihm fehlte Claras robuster Körper und er hatte schlechte Nerven. Kalter Schweiß rann an seinen Wangen herab. Mit zitternder Stimme bat er um Schonung und spürte eine heftige Sehnsucht nach dem Leben, dessen er bald beraubt werden sollte. Um Pedro zu einem umfassenden Geständnis zu bewegen, brauchte der routinierte Folterknecht der Inquisition ihm nur den linken Fuß abzuhacken. Der Kartenzeichner weinte, er weinte wie ein Kind, er weinte und verriet jedes Detail des Mordplanes an Torquemada.
    Der Großinquisitor war glücklich. Glücklich darüber, die Bosheit der Marranen entlarvt zu haben, glücklich darüber, die Vermögen einiger der reichsten Männer Sevillas beschlagnahmen zu können, doch am glücklichsten darüber, noch am Leben und unverletzt zu sein, weil der geplante Mordversuch rechtzeitig

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