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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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Steintafeln wirklich Moses? Oder war es der Teufel, der sich in dem gebrechlichen Körper des Alten eingenistet hatte, um ihn von seinem Vater fortzulocken? Baruch war immer ein guter Sohn gewesen, folgsam wie ein Lamm. Nie hatte er vor dem Vater etwas verborgen, nie etwas geheim gehalten. Am liebsten wäre er nach Hause gelaufen, um dem Vater von seiner merkwürdigen Begegnung zu berichten, aber er fühlte, dass er den Vater damit einer großen Gefahr aussetzte. Wenn die Worte des Greises wahr waren, dann würde sein Geschlecht für alle Zukunft von der Erde ausgelöscht werden.
    Als es Abend wurde, waren Baruchs Zweifel verflogen. Er war überzeugt, Moses begegnet zu sein, den Worten des Propheten folgen und Espinosa verlassen zu müssen. Er verspürte schon seit geraumer Zeit die Sehnsucht, sein Zuhause und die starre Eintönigkeit der Tage hinter sich zu lassen. Er war bereit, aus seinem Winterschlaf zu erwachen.
    An diesem Abend ging er früh zu Bett und murmelte Gebete vor sich hin, solange er sich wach zu halten vermochte. Mitten in der Nacht kam es ihm vor, als würde der Raum von blendendem Lichtschein erleuchtet, und erneut hörte er die Stimme des Propheten sagen, dass er gen Westen aufbrechen solle und dass seine Nachkommen tausend Jahre lang freie Menschen sein würden. Jetzt sah er seine Berufung und seine Zukunft deutlich vor sich.
DER AUFBRUCH
    Am nächsten Morgen erklärte Baruch seinem Vater ohne Umschweife, dass er einen seltsamen und betörenden Traum gehabt habe, in dessen Folge er unverzüglich nach Westen aufzubrechen gedenke. Als der Vater fragte, wovon der Traum gehandelt habe, fing Baruch an zu stottern. Einen Augenblick lang wurde er vom Dämon des Selbstzweifels ergriffen und wäre beinahe seinem Vorsatz untreu geworden und damit für immer an das Kaff Espinosa und an den Vater gebunden geblieben. Ängstlich strich er sich mit der rechten Hand über den Flaum am Kinn und versuchte, Mut zu fassen. Ich muss mir selbst treu bleiben, dachte er. Dann antwortete er, der Traum habe davon gehandelt, dass er nach Lissabon gehen solle.
    Judah Halevy betrachtete seinen Sohn. In dem schüchternen Neunzehnjährigen konnte er sich selbst sehen, wie er einst als rastloser Jüngling in Gayonga vor seinem Vater gestanden und unter großer Selbstüberwindung erklärt hatte, er wolle nicht Schneider werden, wie die Familientradition es vorsah, sondern Rabbiner. Er werde nach Espinosa gehen, um zu studieren. Da kam ihm in den Sinn, dass es Baruch, der immer ein Träumer gewesen war und sich nur für Pflanzen interessiert hatte, nicht nur an jeglichem praktischen Talent, sondern auch an Welterfahrung mangelte. Er war noch ein Junge und nicht reif genug für das Erwachsenenleben. Er versuchte, seinen Sohn zu überreden, mit dem Aufbruch zumindest bis nach Pessach zu warten, damit sie gemeinsam seine Zukunft planen könnten. Doch er argumentierte vergebens. Schließlich wusste er sich keinen anderen Rat mehr, als um seiner eigenen Beruhigung und um des Wohls seines Sohnes willen an Baruchs Gefühle zu appellieren.
    »Wenn du deinen Vater ehrst, der sein Leben der Aufgabe gewidmet hat, dich allein großzuziehen, dann bleibst du in Espinosa«, sagte Judah.
    »Vater, habt Nachsicht mit mir, wenn ich Euch enttäusche. Aber ich muss mich aufmachen und Euch verlassen und darf Euch nicht länger zur Last fallen. Ich weiß, dass Ihr geduldig seid, und Eure Vaterliebe erwärmt mir das Herz. Aber ich habe ein Licht gesehen und muss mich von diesem phantastischen Lichtstrahl forttragen lassen und meiner Zukunft entgegengehen.«
    Baruch erstaunte ob seiner eigenen Worte; er wusste nicht, woher sie kamen. Aber sie flogen ihm mit verblüffender Leichtigkeit zu, als er sie brauchte. Und nichts von allem, was er bis dahin erlebt hatte, konnte sich mit der erwartungsvollen Klarheit und dem Gefühl heiteren Ernstes messen, die ihn jetzt erfüllten. Baruch blickte forschend in das Gesicht des Vaters und wusste, dass dieser ihn verstand.
    Einige Stunden später versammelten sich die Freunde und Nachbarn des Rabbis in seinem Haus zu einer Gebetsstunde. Mehrere Psalmen wurden vorgetragen, und alle beteten zum Allmächtigen, er möge mit väterlicher Güte auf den Jüngling blicken und ihn beschützen.
    Der Vater strich Baruch übers Haar, beschwor ihn, ein guter Jude zu bleiben, den Sabbat zu halten und Gebetsriemen zu tragen. Nie dürfe er vergessen, dass nicht die Kopfbedeckung den Juden ausmache. Dann zitierte er ein kurzes Stück

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