Das Elixier der Unsterblichkeit
und sie heimlich beobachtete.
Eines Tages war Raimundo an der Reihe, dem Meister zu missfallen. Er sah, wie Martes, der den Vormittag in Gesellschaft zweier Kaufleute beim Anisschnaps verbracht hatte, in die Schmiede taumelte und zu Boden fiel. Raimundo half ihm auf die Beine, doch statt sich zu bedanken, überhäufte Martes ihn mit Beschimpfungen und erklärte, er wisse sehr wohl, was nachts im Keller vor sich gehe. Dann schrie er so laut, dass alle es hören konnten, er habe genug von Raimundos und Baruchs Ferkelei, und am liebsten würde er die Köpfe des Nichtsnutzes und des Juden vor aller Augen in die Ablaufrinne stecken, damit sie entehrt in ihrer Erbärmlichkeit dastünden. Raimundo fühlte sich gedemütigt. Obwohl auch er Angst vor dem unberechenbaren Meister hatte, behielt sein Selbstgefühl die Oberhand, und er hieß Martes zu schweigen, sich ins Bett zu legen und wieder nüchtern zu werden. Da warf der Schmied einen schweren Hammer nach ihm. Zum Glück konnte Raimundo noch den Kopf einziehen, sodass der Hammer ihn um einige Zentimeter verfehlte.
Am Abend, nachdem alle in der Schmiede sich schlafen gelegt hatten, flüsterte Raimundo Baruch ins Ohr, er sei es leid, wie ein räudiger Hund behandelt zu werden, und schlug vor, aus der Schmiede zu fliehen und sich von der Armee anwerben zu lassen. Baruch war einverstanden, denn er würde seinem Freund bis ans Ende der Welt folgen. Eine schwere Last fiel den beiden von der Brust, als sie mitten in der Nacht aus dem Haus schlichen und der Schmiede den Rücken kehrten.
NACH GALICIEN
Es war ein diesiger Morgen. Lieblich lag Lissabon vor ihnen ausgebreitet. Leichten Sinnes, wie lange nicht mehr, erreichten sie den Rekrutierungsplatz der Armee. Raimundo mit seiner imponierenden Erscheinung wurde sofort angenommen. Aber für Baruch hatte der Offizier, ein richtiger Riese, der etwas Gefährliches an sich hatte, nur ein Schnauben übrig. An dem schmächtigen jungen Mann war nur die Nase groß, aber die war dafür wahrhaft gigantisch. Er taugte nicht zum Fußsoldaten in Alfonso Henriques’ Armee.
Baruch fuhr die Angst in die Glieder bei dem Gedanken, seinen Freund zu verlieren. Er verlangte mit Nachdruck, dem König dienen zu dürfen. Nach einer Weile gab der Offizier nach und schickte ihn zu einer Ausbildung als Feldscher, bevor die Armee nach Galicien aufbrach.
König Alfonso Henriques begegnete seinem Heer vor den Toren der Stadt. Es war eine bunt gemischte Schar. Viele hatten sich in der Hoffnung auf Belohnung und Beförderung anwerben lassen. Andere kamen aus Regionen, die der König erobert hatte und wo die Männer aufgefordert worden waren, sich zum Dienst in der Armee zu melden.
Alfonso Henriques war vierzig Jahre alt, über zwei Meter groß und hatte mächtige Schultern. Er war sonnengebräunt und trug einen dunklen Bart und einen schwarzen Schnauzer, dessen Spitzen nach oben gedreht waren. Alle hatten großen Respekt vor ihm und hüteten sich, ihn zu verärgern, denn es war allgemein bekannt, dass er aufbrausend war und kein Erbarmen kannte mit denen, die ihm nicht gehorchten. Wenn er zornig wurde, und das kam oft vor, verprügelte er Männer ohne Ansehen der Person wegen der geringsten Kleinigkeit.
Der König stellte sich auf einen Hügel und brachte die Soldaten mit einer Geste seiner mächtigen Fäuste zum Schweigen. Er hatte eine kräftige, durchdringende Stimme und sprach lange zu seinen Männern. Mit großer Autorität lobte er die Soldaten und versprach ihnen herrliche Siege. Aber er nahm auch die Gelegenheit wahr, die Zaudernden anzuspornen und ihnen Mut einzuflößen angesichts dessen, was sie erwartete. Als er fragte, ob alle bereit seien, Leib und Leben für ihren König zu opfern, schrien die meisten Ja. Auch Baruch und Raimundo schworen Alfonso Henriques begeistert die Treue.
Am folgenden Tag wurde der Feldzug nach Galicien eingeleitet, mit dem der König die Grenzen Portugals nach Norden auszuweiten trachtete. Der Marsch nach Norden dauerte fünfzehn Tage. Eines Nachts lag Baruch schlaflos im Dunkeln, obwohl er erschöpft war. Er blickte auf zu den Sternen über Galicien und dachte zum ersten Mal seit langem an seinen Vater und an den Sabbat, den er seit seinem Aufbruch von zu Hause nicht gehalten hatte. Er hörte das Wiehern der Pferde und schnappte vereinzelte Wörter von Soldaten auf, die im Schlaf redeten. In seinem Herzen hegte er weder Zweifel noch Befürchtungen angesichts der Kämpfe des kommenden Tages, des ersten Angriffs in
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