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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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hinterherjage, und seine wirtschaftliche Ehrbarkeit in Frage stellte. Doch ich will nicht polemisieren, sondern erzählen.
    Der alte Rothschild hatte Amschel gelehrt, dass Ansehen in der jüdischen Welt nicht auf Geld beruht, sondern auf Weisheit und Wissen. Ein vermögender Mann in der »Judengasse« wurde nur respektiert, wenn er gebildet war. Der Talmud, hatte der Vater erklärt, fordere zum Widerstand gegen die Verführungen und Fallstricke des Reichtums auf. Der Begründer der Rothschild Bank hatte betont, das eigentliche Ziel der Ansammlung von Geld sei es, seine eigene kulturelle Entwicklung und soziale Position wie auch die seiner Nächsten zu stärken.
    Amschel hatte keine Schwierigkeiten, die überlegene geistige Begabung der Familien Spinoza und Luzzatto anzuerkennen. Voller Bewunderung überließ er es Chiara, Jakob die intellektuellen Gaben zu vermitteln. Er selbst ging vorsichtig zu Werke und versuchte, den Horizont des Jungen in Bezug auf die Finanzwelt zu erweitern, und weihte ihn Schritt für Schritt in deren Spielregeln ein. Denn er glaubte an eine Kombination aus theoretischer und praktischer Intelligenz.
EIN MANN VON WELT
    Mit angstvollem Blick verfolgte Amschel die Ideendebatte im Deutschen Reich, das nach seiner festen Erwartung unter dem Einfluss der Ideale der Französischen Revolution zur Wiege der Freiheit auf Erden werden musste. Hier würde er Zeuge der Befreiung der Juden von Jahrhunderte währender Unterdrückung werden. Was ihn allerdings beunruhigte, war die Lobpreisung der sogenannten germanischen Tugenden und das Schwarzmalen des Judentums als internationale und undeutsche Macht. Die Juden wurden als Fremde dargestellt, die niemals die Interessen des deutschen Vaterlands an erste Stelle setzen würden. Man sprach vom arischen Intellekt als schöpferisch, den das Jüdische, das nichts erschuf, nur imitiere. Die Arier wurden als bewusst, logisch und aktiv geschildert, während die Juden unmoralisch, unlogisch und passiv seien. Die Arier wurden verehrt für ihr tiefes Empfinden für das Ideale und Erhabene, für ihre Liebe zur Heimat, besonders zu Wäldern und Alpenhöhen. Dagegen wurden die Juden beschuldigt, von Natur aus ewig wurzellos zu sein, verantwortlich für alles Böse der Zeit. Ein Jude sei immer in erster Linie ein Jude.
    Am Sterbebett des Vaters hatte Amschel gelobt, seinem jüdischen Erbe immer treu zu sein, obwohl er schon in jungen Jahren sein Herz vor dem Gottesglauben verschlossen hatte. Einige seiner Bekannten fühlten sich gezwungen – da der Judenhass in der Luft lag –, ihr Judentum aufzugeben. Sie konvertierten, nahmen christliche Namen an und integrierten sich. Amschels Bruder Salomon, der in Wien lebte, wurde vom Hofe empfohlen – als der Kaiser ihm den Titel eines österreichischen Barons verlieh –, zum Christentum überzutreten. Doch Amschel verbot dies mit der Autorität eines Familienoberhauptes. Er schrieb an Salomon: »Ich hoffe, du bist dir bewusst, dass unsere Vorväter seit Jahrhunderten unserem Volk und unseren Traditionen treu geblieben sind. Ich habe niemals behauptet, ein anderer zu sein als der, der ich bin: ein Jude aus Frankfurt. Und ich möchte nichts mit Menschen zu tun haben, die zum Christentum konvertieren.«
    Mit sechzig Jahren war Amschel ein Mann von Welt, sowohl in der französischen Bedeutung des Wortes, das heißt ein Mitglied der höheren Gesellschaft, als auch in der deutschen Bedeutung des Wortes, das heißt ein Mann, der die Welt gesehen hat.
    Er stellte sich vor, dass er Jakob eines Tages, wenn der Junge erwachsen wäre, das rote Schild geben würde, das er von seinem Vater geerbt hatte. Es symbolisierte die rote Fahne, mit der Juden in Osteuropa ihre Sympathie für die Ideale der Französischen Revolution ausgedrückt hatten. Als sein Vater das Bankhaus gegründet hatte, wurde dieses rote Schild über der Eingangstür angebracht. Amschel hoffte, dieses Geschenk werde Jakob anspornen, das Gleiche zu tun wie sein Vater, der seinen Nachnamen Bauer gegen Rothschild eintauschte.
    Amschel starb in aller Stille. Sein Rheuma war ein alter Feind, mit dem zu leben er gelernt hatte. Die Herzprobleme, die hinzukamen, verkraftete sein Körper hingegen nicht. Er sprach nie von den Schmerzen in der Brust, denn er war ein diskreter Mensch, der seine Probleme eher bagatellisierte, als seine Umgebung damit zu belasten.
    Eines Abends schlief er ein und wachte nicht wieder auf.
    Das Begräbnis wurde in Amschels Sinne begangen. In einer seiner

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