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Das Ende aller Tage

Das Ende aller Tage

Titel: Das Ende aller Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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Architektur überschattete Ployploy. Fenstersimse, Portale und Balustraden quollen von barocken Fruchtgehängen und Rokokoputten über. Der Wind überschüttete die Terrassen mit toten Blättern. Alles machte einen halb verfallenen, vernachlässigten Eindruck, aber es bildete einen idealen Hintergrund für Ployploys einsame Gestalt.
    Abgesehen von ihren zartrosa Lippen war ihr Gesicht völlig farblos. Ihr schwarzes Haar fiel glatt über ihre Schultern und bis auf die Hüften. Sie sah tatsächlich geistesgestört aus; ihre melancholischen Augen starrten auf die mächtigen Ulmen, als wollten sie alles versengen, was in ihrer Blickrichtung lag. Smithiao wandte den Kopf, um zu sehen, worauf sie so unverwandt starrte.
    Der wilde Mann, den er zuvor aus der Luft beobachtet hatte, brach gerade durch das Buschdickicht unter den Ulmen.
    Smithiao wartete gespannt. Er fühlte, daß sich der Teil eines Dramas vor seinen Augen abspielen würde. Über die Rasenfläche eilte ein kleines, auf Raupenketten laufendes Ding. Es näherte sich dem Haus, erklomm behende die Freitreppe und verschwand durch ein Portal. Es war der Wachroboter mit der Warnung, daß ein Eindringling gekommen war.
    Nach einer Minute kam er wieder zum Vorschein, begleitet von vier größeren Robotermaschinen. Eine davon erkannte Smithiao als das schildkrötenähnliche Ding, das ihn selbst angehalten hatte. Die fünf verschiedengestaltigen Ungeheuer bewegten sich geschickt um Büsche und Beete manövrierend durch den Garten. Der metallene Gärtner ließ seine Arbeit liegen und schloß sich der Prozession an, die zielsicher auf den wilden Mann zumarschierte.
    »Er hat keine Chance«, murmelte Smitlao halblaut. Der wilde Mann war inzwischen aus dem Buschwerk gebrochen und stand am Rand der Wiese. Nun riß er einen belaubten Zweig vom nächsten Busch und steckte ihn in sein Hemd, daß er sein Gesicht teilweise verdeckte. Einen anderen Zweig steckte er in seine Hose. Als die Roboter näherkamen, hob er die Arme mit einem dritten Zweig über den Kopf.
    Die sechs Maschinen kreisten ihn leise summend ein. Der Schildkrötenroboter klickte einige Male, als wüßte er nicht recht, wie er sich verhalten sollte.
    »Identität?« fragte er dann.
    »Ich bin ein Rosenbaum«, sagte der wilde Mann.
    »Rosenbäume tragen Rosen. Du trägst keine Rosen. Du bist kein Rosenbaum«, sagte die stählerne Schildkröte. Der Lauf einer Waffe richtete sich auf die Brust des wilden Mannes.
    »Meine Rosen sind schon verblüht«, sagte der wilde Mann, »aber ich habe noch meine Blätter. Frag den Gärtner, wenn du nicht weißt, was Blätter sind.«
    »Dieses Ding ist ein Ding mit Blättern«, sagte der Gärtner sofort.
    »Ich weiß, was Blätter sind. Ich brauche den Gärtner nicht zu fragen«, sagte die Schildkröte. »Blätter sind das Laub von Bäumen und Pflanzen, das ihnen ihr grünes Aussehen gibt.«
    »Dieses Ding ist ein Ding mit Blättern«, wiederholte der Gärtner, um die Sache zu klären. »Die Blätter geben ihm ein grünes Aussehen.«
    »Ich weiß, was Dinger mit Blättern sind«, sagte die Schildkröte. »Ich brauche dich nicht zu fragen, Gärtner.«
    Es sah aus, als ob es zu einem Streit zwischen den beiden Robotern käme, aber in diesem Augenblick sagte eine der anderen Maschinen: »Dieser Rosenbaum kann sprechen.«
    »Rosenbäume können nicht sprechen«, erklärte die Schildkröte sofort. Nachdem sie diese Weisheit von sich gegeben hatte, schwieg sie eine Weile, wahrscheinlich, um über die Merkwürdigkeiten des Lebens nachzusinnen. Schließlich meinte sie: »Darum ist dieser Rosenbaum kein Rosenbaum, oder dieser Rosenbaum hat nicht gesprochen.«
    »Dieses Ding ist ein Ding mit Blättern«, begann der Gärtner hartnäckig von neuem. »Aber es ist kein Rosenbaum. Rosenbäume haben Dornen. Dieses Ding hat keine Dornen. Es ist ein Faulbaum. Der Faulbaum ist auch als beerentragende Erle bekannt.«
    Dieses spezialisierte Wissen ging über das Vokabular der Schildkröte hinaus. Eine gespannte Stille setzte ein.
    »Ich bin ein Faulbaum«, sagte der wilde Mann, ohne seine Haltung zu verändern. »Ich kann nicht sprechen.«
    Darauf begannen die Maschinen miteinander zu sprechen und umkreisten ihn, um ihn besser betrachten zu können, wobei sie einander anrempelten. Schließlich erhob sich das metallische Organ der Schildkröte aus dem Stimmengewirr.
    »Was immer dieses Ding mit Blättern ist, wir müssen es entwurzeln. Wir müssen es töten.«
    »Du darfst es nicht entwurzeln. Das ist

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