Das Ende aller Tage
Gesundungsprozeß zu fördern. Das zusammengebrochene landwirtschaftliche System wurde für einige Jahrhunderte durch ein gewaltiges Aufgebot an Robotern wieder in Gang gebracht, vollautomatisierten Landmaschinen, die dem Boden abrangen, was er hergeben konnte. Abgelegene oder sich selbst regierende Gemeinschaften wurden straffer, zentraler Kontrolle unterworfen. Das berüchtigte Paarungszentrum wurde eingerichtet, das alle Heiraten und Geburten überwachte.
Aber mechanischer Scharfsinn und technische Perfektion hatten noch nie genügt, das Unheil abzuwenden. Die Zeit entrollte sich wie ein unendlich langer Läufer, auf dem der Mensch seinem Aussterben entgegentaumelte.
*
Es war der letzte Sommertag im letzten Jahr des dreiundachtzigsten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung. Eine Flugmaschine trug J. Smithiao, Psychodynamiker, hoch in der Stratosphäre über den 139. Sektor des Ing-Landes. Sie begann niederzugehen, sank in die Atmosphäre ab und schwebte über Charles Gunpats Besitz.
Für Smithiao war diese Reise eine Routineangelegenheit. Er war in seiner Eigenschaft als Gunpats Psychodynamiker gekommen, um dem alten Mann eine Haßstärkung zu verabreichen. Sein dunkles Gesicht blickte gelangweilt auf den Bildschirm, wo eine Wiedergabe der Umwelt flimmerte. Zu seinem Erstaunen sah er dabei einen Mann, der sich zu Fuß Gunpats Besitz näherte.
»Das muß ein wilder Mann sein«, murmelte er vor sich hin.
Die Landschaft lag sauber ausgebreitet wie eine Landkarte unter der herabschwebenden Flugmaschine. Die ausgelaugten Felder bildeten saubere Rechtecke. Hier und dort zwangen Robotermaschinen die Natur in ihr funktionelles Schema: keine Bohne keimte ohne kybernetische Überwachung. Jeder Vogel hatte eine Nummer und ein Rufzeichen, und mit jedem Ameisenstamm marschierte der metallene Ameisenspion und meldete die Geheimnisse des Nestes seiner Zentrale. Wenn Regen fiel, hatte er seine vorausberechneten Beregnungsflächen. Die alte, bequeme Welt der Zufälligkeiten war unter dem Druck des Hungers verschwunden.
Nichts Lebendiges lebte ohne Kontrolle. Die Bevölkerungsmassen früherer Jahrhunderte und die Verwüstungen des Krieges hatten den Boden erschöpft. Nur durch strengste Kontrolle und schärfster Sparsamkeit war es möglich, genug Nahrungsmittel für eine spärliche Bevölkerung zu erzeugen. Schon vor dem großen Krieg waren Milliarden verhungert; die wenigen hundert Menschen, die jetzt noch die Erde bevölkerten, lebten ständig am Rand des Hungertodes.
In der sterilen Sauberkeit der Landschaft wirkte Gunpats Besitz wie eine Beleidigung. Seine Fläche von drei Hektar Größe bildete eine kleine Insel der Wildnis. Hohe, ungepflegte Ulmen schirmten ihn nach außen ab. Das Haus selbst, das größte im Sektor, war aus massiven Steinquadern erbaut. Es mußte stabil sein, um das Gewicht der Servomechanismen zu tragen, die außer Gunpat und seiner verrückten Tochter Ployploy seine einzigen Bewohner waren.
Smithiao hatte die auf den Besitz zustapfende menschliche Gestalt erst gesehen, als die Flugmaschine in gleicher Höhe mit den Baumkronen war. Aus verschiedenen Gründen war es ein sehr unwahrscheinlicher Anblick. Weil sich der große materielle Reichtum auf vergleichsweise wenige Menschen verteilte, war niemand so arm, daß er irgendwohin zu Fuß gehen mußte. Der Haß der Menschen auf die Natur, ausgelöst von der Vorstellung, von ihr betrogen zu sein, machte einen Fußmarsch dieser Art zu einem Fegefeuer, dem sich niemand freiwillig aussetzte, es sei denn, er war geisteskrank wie Ployploy.
Smithiao entließ die Gestalt aus seinen Gedanken. Die Flugmaschine ging selbsttätig auf einem plattenbelegten Platz vor dem Haus nieder. Gunpats Haus mit seinen blinden Fenstern, seinen Türmen, endlosen Terrassen und seinen überflüssigen Verzierungen starrte ihm voll düsterer Ablehnung entgegen.
Seine Ankunft löste sofort Aktivität aus. Drei auf Rädern laufende Roboter näherten sich der Flugmaschine aus verschiedenen Richtungen und zielten mit leichten Waffen auf den fremden Eindringling.
Hier, dachte Smithiao, kam niemand uneingeladen herein. Gunpat war ein unfreundlicher Mann, selbst wenn man ihn mit dem ungeselligen Maßstab seiner Zeit maß; die Schande, eine Tochter wie Ployploy zu haben, hatte die mürrische Seite seines melancholischen Charakters hervorgekehrt.
»Identität?« fragte die führende Maschine. Sie war häßlich und platt und hatte vage Ähnlichkeit mit einer Wasserschildkröte.
»Ich
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