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Das Ende aller Tage

Das Ende aller Tage

Titel: Das Ende aller Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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voran, gefolgt vom Feldbesteller, dem Steinbrecher mit dem Empfänger und der Schreibmaschine an Bord, und den beiden Traktoren, die den Schluß bildeten. Der Weg wurde immer steiler, ihr Vorwärtskommen langsamer.
    »Wir bewegen uns zu langsam«, erklärte die Schreibmaschine, die auf den Empfänger geklettert war und mit ihrem Infrarotauge die nächtlichen Berghänge abtastete. »Mit dieser Geschwindigkeit werden wir nie ans Ziel kommen.«
    »Wir gehen, so schnell wir können«, erwiderte der Steinbrecher.
    »Darum können wir nicht ans Ziel kommen«, setzte der Räumpflug hinzu.
    »Darum bist du zu langsam«, versetzte die Schreibmaschine. Dann überrollten die riesigen Räder des Steinbrechers einen Felsblock; die Schreibmaschine verlor ihren Halt, fiel über Bord und blieb im Geröll liegen.
    »Helft mir!« rief sie den Traktoren zu, als diese langsam vorbeirumpelten. »Meine Kraftübertragung ist ausgefallen. Darum kann ich mich nicht bewegen.«
    »Darum mußt du da liegen«, sagte einer der Traktoren.
    »Wir haben keinen Réparateur bei uns, der dich reparieren könnte«, rief der Feldbesteller.
    »Darum soll ich hier liegen und verrosten«, jammerte die Schreibmaschine, »obwohl ich ein Gehirn dritter Klasse habe.«
    »Du bist jetzt nutzlos«, erklärte der Empfänger, und sie alle arbeiteten sich weiter aufwärts, ohne sich um die zurückbleibende Maschine zu kümmern.
    Als sie eine Stunde vor Morgengrauen eine kleine Hochfläche erreichten, hielten sie in stillschweigender Übereinstimmung an und formierten sich zu einer geschlossenen kleinen Gruppe.
    »Dies ist ein seltsames Land«, sagte der Feldbesteller.
    Stille hüllte sie ein, bis der Morgen anbrach. Nacheinander schalteten sie ihre Infrarotaugen ab. Im Licht der aufgehenden Sonne zogen sie weiter, und diesmal übernahm der Feldbesteller die Spitze der Kolonne. Sie holperten tun. einen Felshügel und kamen plötzlich an eine kleine Senke, durch die ein Bach floß.
    Im frühen Morgenlicht sah die Senke verlassen und kalt aus. Aus den Höhlen im gegenüberliegenden Hang war bisher nur ein Mann gekommen. Seine Gestalt war klein und verhutzelt, mit skelettartig hervorstehenden Rippen und einer bösartig eiternden Wunde an einem Bein. Als die großen Maschinen langsam in die Senke und auf ihn zu rollten, hatte er ihnen den Rücken zugekehrt und schlug sein Wasser ab.
    Dann – sie waren bereits ganz nahe herangekommen – hörte er sie plötzlich und drehte sich um. Er war vom Hunger gezeichnet; seine Gesichtshaut hatte die fahle Farbe des Todes.
    »Bringt mir Essen«, krächzte er.
    »Ja, Meister«, antworteten die Maschinen. »Sofort!«
     
Das dunkle Zeitalter
     
    Der Planet Erde dreht sich um seine Sonne und schwingt seinen kleinen Kegel aus Nacht mit sich. Für das Sonnensystem gibt es nur einen langen Tag; die Sonne macht den Tag, die Planeten machen sich ihre eigenen Nächte. Und solange die Sonne brennt, ruhig wie eine Kerzenflamme in einem verhängten Zimmer, erfreut sich auch das Leben seines ununterbrochenen Tages. Nur die kleinen, individuellen Leben müssen ihre Nächte ertragen, jeder seine eigene.
    Zwischen dem letzten Fragment und dem nächsten liegt ein weiter und dunkler Golf des Schweigens, eine unendliche Periode, über die auch wir schweigend hinweggehen müssen. Durch diese Stille treiben wie Nebelerscheinungen Zivilisationen, von denen man auch jetzt kaum mehr weiß als ihre Namen: Das Reich von Calloban, die Soliten – jene Leute, die das Geheimnis des Zeitenwanderns entdeckten, ein Geheimnis, das mit ihnen starb, um nie wieder entdeckt zu werden. Über vierzig Millionen Jahre breitete die Stille ihren dunklen Schleier aus und bedeckte ihre Kinder mit dem Staub der Zeit.
    In dieser Zeitspanne dreht sich die Erde durch viele Nächte und individuelle Tode. Ihr ist alles das gleich. Leben, Tod und die Sonne – das sind die Konstanten. Ein Sprung über diese lang erscheinende Periode, den Menschen als das dunkle Zeitalter bekannt, findet die Erde wenig verändert: eine dünne neue Schicht Sedimentgestein; eine kaum wahrnehmbare Umbildung des menschlichen Unterkiefers und seiner Schädelproportionen; ein paar winzig hingeduckte Gebäude auf dem Narbengesicht des Mondes; eine leichte Verformung der kontinentalen Küsten, neue Ufer, neue Häfen …
    Und doch, wieviel hat sich verändert!
    Wieviel Stolz und Pracht ist in diesem einen langen Tag der Sonne untergegangen; wie viele Zelte wurden aufgestellt, wie viele Reiche gegründet; wie

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