Das Ende - Alten, S: Ende
Irak.«
»Und das ist schon alles?«
»Ja, Sir.«
Downey zog seine Maske und seine Kapuze ab. Stacheliges Haar, ein Ziegenbärtchen und eindringliche braune Augen kamen zum Vorschein. »In Ihrer Akte steht, dass Sie einander bei mindestens drei Einsätzen begegnet sind. Laut privateren Aufzeichnungen über Ihre Person haben Sie ihn zur Hochzeit Ihrer ältesten Tochter eingeladen, auch wenn er bei dieser Feier dann niemals aufgetaucht ist. Versuchen Sie also nicht, mich zu verarschen, Kantor. Mehr als ein Leben steht auf dem Spiel … das Leben des Präsidenten, das Leben der UN-Delegierten und vielleicht sogar das Leben jedes Menschen, der das Glück hat, sich im Augenblick nicht in Manhattan aufzuhalten. Meine Mission ist ganz einfach: Ich soll den Impfstoff besorgen. Ob Ihr Kumpel die Nacht überlebt, liegt ganz alleine bei ihm – und bei Ihnen. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Ja, Sir.«
»Sobald wir in Morningside Heights gelandet sind, wird sich unsere Einheit auf zwei Militärfahrzeuge verteilen. Ich möchte, dass Sie direkt neben mir sitzen. «
»Ja, Sir. Moment, warten Sie … Sagten Sie gerade Morningside Heights? Man hat mir gesagt, wir würden in der Battery landen.«
»Eine unserer Drohnen hat Shepherd in der Nähe der Columbia University entdeckt. Das ist unser neues Ziel. Die Ehefrau ist diesmal von nachrangiger Bedeutung. Ist das ein Problem, Captain?«
David schloss die Augen hinter den getönten Linsen seiner Maske. »Nein, Sir.«
Cathedral of St. John the Divine
Amsterdam Avenue, Morningside Heights, New York
1:57 Uhr
Es waren Tausende. Einige waren kilometerweit zu Fuß gegangen, andere lebten in der Nähe. Weil die Regierung sie im Stich gelassen und die Pharmaindustrie ihnen nichts anzubieten hatte, suchten sie Hilfe bei einer höheren Macht und brachten ihre infizierten Angehörigen in Schubkarren und Einkaufswagen hierher. Sie hämmerten gegen die verschlossenen Spitzbogentore und riefen laut in die Nacht hinaus, doch ihr Flehen um Rettung und die Letzte Ölung stieß auf taube Ohren – nicht anders als in Europa vor 666 Jahren.
In der Kathedrale schritt Reverend Jeffrey Hoch durch das gewaltige Kirchenschiff, das Gesicht hinter einem roten Seidenschal verborgen. Mehrere Tausend Menschen hatten sich hier versammelt, viele von ihnen schliefen in den Kirchenbänken.
Einige waren bereits kurz vor Mittag eingetroffen. Als hätten sie den heraufziehenden Sturm gespürt, waren die Senioren die Ersten. Um zwei Uhr nachmittags strömten bereits Hunderte herein – wütende Familien und frustrierte Touristen, die im Chaos festsaßen. Jeder suchte nach einem warmen Ort – vorzugsweise mit einer sauberen Toilette –, um dort die nächsten Stunden auszuharren.
Doch der eigentliche Ansturm begann kurz vor Einbruch der Abenddämmerung, als sich Wut und Verwirrung
in Verzweiflung verwandelten und aus Verzweiflung Angst wurde.
Die Ausgangssperre führte dazu, dass mehrere Hunderttausend Menschen Zuflucht in Schulturnhallen, Missionen und dem Madison Square Garden suchen mussten – wobei Letzterer unangenehme Erinnerungen an Hurrikan Katrina und das Chaos im Superdome weckte, nur dass diesmal die Verzweifelten, Armen und Obdachlosen ihren Platz mit den Infizierten teilen mussten. Während die Menge auf der Amsterdam Avenue Schlange stand, um sich auf Krankheitssymptome überprüfen zu lassen, hatte Bischöfin Janet Saunders die Geistlichen angewiesen, sich in die Kathedrale zurückzuziehen und die Tore zu verriegeln.
Reverend Hoch blieb stehen, um eine Gebetskerze anzuzünden, und Mike McDowell, der Schuldekan, trat auf ihn zu. »Reverend, das ist nicht richtig. Wie können wir diese Zuflucht vor der Öffentlichkeit verschließen? Wie können wir den Sterbenden die Letzte Ölung verweigern?«
»Ich trage hier nicht mehr die Verantwortung. Das müssen Sie mit Bischöfin Saunders besprechen.«
»John the Divine ist nicht an eine bestimmte Konfession gebunden. Ich erkenne die Autorität der Bischöfin nicht an.«
»Ich schon, Mr. McDowell.«
Pausenlos wurde gegen die drei Tonnen schweren Bronzetore gehämmert. Das Geräusch erfüllte jeden Winkel des höhlenartigen, über einhundertachtzig Meter langen Kirchenschiffs. McDowell ging durch den Mittelgang auf die Apsis zu, wo Janet D. Saunders, die zweite Frau, die jemals zum Primas der anglikanischen Kirche gewählt worden war, mit einer kleinen Gruppe von Gläubigen betete.
»Bischöfin Saunders, dürfte ich Sie kurz um
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