Das Ende - Alten, S: Ende
bedeckt mit Schmerz und bösen Martern.«
DANTE, Die Göttliche Komödie,
»Hölle«, Neunter Gesang
21. DEZEMBER
Central Park, Manhattan, New York
4:11 Uhr
(3 Stunden und 52 Minuten vor dem prophezeiten Ende der Tage)
Als die kleine Gruppe das südöstliche Ende des Reservoirs erreichte, stand sie vor dem nächsten Hindernis, denn der Zaun, der die Joggingstrecke von der südlichen Begrenzungsmauer des Beckens trennte, bot keinen Ausgang und keine Schwachstelle. Paolo ruderte weiter, indem er dem Bogen der steinernen Grenze in Richtung Westen folgte. Francescas Licht zeigte ihnen schließlich eine Unterbrechung
in der langen Wand. Es war eine schmale Bootsrampe, die teilweise von einem mächtigen Tieflader versperrt war.
Paolo stieg zuerst aus dem Boot. Dann zog er dessen Bug auf die Betonrampe, bevor er seiner Frau half, an Land zu klettern.
Der rostige Aufleger des Lastwagens war in einem Winkel von dreißig Grad zum Reservoir geneigt und von gefrorenem Blut überzogen. Francesca wickelte sich ihren Schal um das Gesicht. »Sie müssen den Lastwagen benutzt haben, um die Toten einzusammeln und direkt ins Wasser zu kippen. Aber warum sollte jemand so etwas tun?«
Paolo spähte durch das Fenster in die leere Fahrerkabine. »Die wichtigere Frage ist: Warum haben sie damit aufgehört?«
»Die Pest muss sich so rasch verbreitet haben, dass sie die Toten nicht schnell genug wegschaffen konnten.« Shep sah in den Nachthimmel hinauf. »Wir müssen los, bevor uns wieder eine Drohne aufspürt.«
Sie gingen weiter, indem sie einem schneebedeckten Asphaltweg folgten. In einiger Entfernung flackerten die großen Feuer.
Central Park West, Manhattan, New York
4:20 Uhr
David Kantor eilte in südlicher Richtung durch die Central Park West, während er immer wieder mit gezogener Waffe im Schatten der liegen gebliebenen Fahrzeuge in Deckung ging. Von allen Seiten umgaben ihn Tod und Dunkelheit. Die Toten saßen zusammengesunken in ihren Autos,
lagen auf dem Bürgersteig oder wurden aus den Fenstern ihrer Wohnungen geschleudert, wobei sie die Baldachine an den Gebäudeeingängen zerfetzten oder auf den schneebedeckten Rasenflächen landeten. Etwa alle fünfzehn Sekunden hielt David inne, um sich zu vergewissern, dass er nicht verfolgt wurde. Nur seine Paranoia gab ihm noch die Kraft, seine Hüften zu beugen und seinen Rücken zu strecken, der längst unter der Last seiner Ausrüstung schmerzte. So schaffe ich es nie bis zu Gavis Schule. Ich muss eine andere Möglichkeit finden.
Wieder hielt er inne. Unter seiner eng anliegenden Maske hatte sich eine Schweißpfütze angesammelt. Er zog das Kinnstück aus Gummi hoch, um die Flüssigkeit ablaufen zu lassen, als sein Blick auf ein bizarres Gebäude zu seiner Rechten fiel. Dunkel ragte die diamantförmige Silhouette des Rose Center for Earth and Space in den vom Mondlicht erhellten Himmel. In der Nacht wirkte das Museum of Natural History wie eine mittelalterliche Burg, deren Zugbrücke von der Reiterstatue Präsident Theodore Roosevelts bewacht wurde. Der Anblick des unerschrockenen Reiters erinnerte ihn an den ersten Besuch seiner jüngsten Tochter in diesem Museum. Gavi war erst sieben gewesen. Auch Oren war mitgekommen. Davids Sohn hatte darauf bestanden, dass sie nicht den Zug nahmen, sondern mit dem Auto in die Stadt fuhren, sodass er auf dem Heimweg ein Spiel der Yankees im Radio hatte mitverfolgen können. Die Erinnerung ließ David nicht mehr los.
Er inspizierte das Gelände mit seinem Nachtsichtgerät. Dann eilte er die Stufen zum Museum hinauf bis zu den geschlossenen Türen des Haupteingangs, auch wenn er nicht sicher war, ob er mit dieser Aktion nicht lediglich wertvolle Zeit verlor.
Der Eingang war verriegelt. Wieder sah David sich um, und weil er allein zu sein schien, zerschoss er mit seinem Sturmgewehr eine der Glastüren.
Bis auf das schwache Schimmern der Notbeleuchtung war das Museum dunkel. Rasch durchquerte David die Theodore Roosevelt Memorial Hall. Der verlassene Eingangsbereich hatte etwas Beunruhigendes an sich. Er ging an der Weltraumausstellung in der Rose Gallery vorbei und suchte nach einem Wegweiser für die Besucher, der, wie er wusste, irgendwo im dunklen Korridor vor ihm angebracht sein musste.
»Dort.« Er folgte dem Pfeil, der ihm den Weg zum Parkhaus wies, während er um ein kleines Wunder betete.
Die Stellplätze für Motorräder befanden sich direkt hinter den Behindertenparkplätzen. Sein Herz raste, als der
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