Das Ende der Dinosaurier
unscharfes Bild des ganzen Dokuments gewinnen könntest.«
»Hmm. Vielleicht.«
Ich begann die Idee aufregend zu finden. »Mensch, Onkel Otto! Weißt du, wieviel die Polizeibehörden für eine solche Maschine bezahlen würden? Es wäre eine enorme Erleichterung für die ...«
Ich brach ab. Die Art und Weise, wie seine Haltung sich plötzlich versteifte, war mir unheimlich. Höflich sagte ich: »Was meintest du, Onkel?«
Er blieb bemerkenswert ruhig. »Ein für allemal, Neffe«, sagte er in einem Ton, der kaum mehr als ein Schnauzen war. »Alle meine Erfindungen werde ich von nun an selbst entwickeln. Zuerst muß ich Anfangskapital zusammenbringen. Kapital aus einer Quelle, die nicht dem Verkauf meiner Gedanken entspringt. Danach werde ich eine Fabrik für meine Flöten aufmachen. Das kommt zuerst. Später kann ich mit meinen Gewinnen solche Maschinen herstellen. Aber zuerst meine Flöten, vor allem anderen. Das habe ich mir gestern abend geschworen.
Durch die Selbstsucht einiger weniger wird die Welt großer Musik beraubt. Soll mein Name als der eines Mörders in die Geschichte eingehen? Soll der Schlemmelmayer-Effekt eine Methode sein, die Gehirne von Menschen zu braten? Oder soll er schöne Musik zum Erklingen bringen? Große, wundervolle Musik, die von Dauer ist?«
Er hatte eine Hand orakelhaft erhoben und die andere hinter dem Rücken. Die Fenster vibrierten schrill zu seinen Worten.
»Onkel Otto«, sagte ich rasch, »man wird dich hören!«
»Dann schrei nicht so laut!« erwiderte er.
»Aber so hör doch«, protestierte ich. »Wie willst du zu deinem Anfangskapital kommen, wenn du nicht bereit bist, diese Erfindungen auszubeuten?«
»Ich habe es dir noch nicht gesagt, aber ich kann eine Abbildung Wirklichkeit werden lassen. Wie, wenn die Abbildung wertvoll wäre?«
Das klang gut. »Du meinst, wie ein verlorengegangenes Dokument oder Manuskript, eine Erstausgabe – so etwas, wie?«
»Nein, eigentlich nicht. Es gibt da einen Haken. Zwei Haken. Nein, drei.«
Ich wartete, daß er weiterzähle, aber drei schien die Grenze zu sein.
»Was für Haken sollen das sein?« fragte ich.
»Erstens muß ich das Objekt in der Gegenwart vor mir haben, um die Maschine darauf einzustellen, sonst kann ich es in der Vergangenheit nicht ausmachen.«
»Du meinst, du kannst nichts zurückholen, was nicht jetzt und hier existiert, wo du es sehen kannst?«
»Ja.«
»In diesem Fall sind die Haken zwei und drei rein akademischer Natur. Aber sag mir trotzdem, was sie sind.«
»Ich kann nur ein Gramm Material aus der Vergangenheit holen.«
Ein Gramm! »Warum nicht mehr? Nicht genug Energie?«
»Es ist eine umgekehrt exponentiale Beziehung«, sagte Onkel Otto ungeduldig. »Alle Energie des Universums könnte nicht mehr als vielleicht zwei Gramm bringen.«
»Und der dritte Haken?« sagte ich.
»Ja, also ...« Er zögerte, nahm einen neuen Anlauf. »Je weiter die zwei Brennpunkte voneinander entfernt sind, desto flexibler die Verbindung. Sie muß eine gewisse Länge haben, bevor sie in die Gegenwart gezogen werden kann. Mit anderen Worten, ich muß mindestens einhundertfünfzig Jahre in die Vergangenheit gehen.«
»Ich sehe«, sagte ich und versuchte meiner Stimme den selbstsicheren, geschäftsmäßigen Ton eines Rechtsanwalts zu verleihen. »Du möchtest etwas aus der Vergangenheit bringen, was du in ein kleines Kapital ummünzen kannst. Es muß etwas sein, was existiert und was du sehen kannst, also darf es kein verlorener Gegenstand von historischem oder archäologischem Wert sein. Es darf nicht mehr als ein Gramm wiegen, also kann es nicht der Cullinan-Diamant oder etwas dergleichen sein. Es muß mindestens einhundertfünfzig Jahre alt sein, also kann es auch keine seltene Briefmarke sein.«
»Genau«, sagte mein Onkel. »Du hast es verstanden.«
»Ja, das ist wirklich interessant«, sagte ich. »Nun, dann bis zum nächsten Mal, Onkel.« Ich glaubte nicht, daß es klappen würde, aber ich versuchte, zu gehen.
Es klappte nicht. Onkel Otto faßte mich bei den Revers meiner Jacke, und ich stand mit den Zehenspitzen auf einem Zoll Luft.
»Du zerknitterst meine Jacke, Onkel Otto.«
»Harold«, sagte er. »Als Rechtsanwalt schuldest du mir als einem Klienten mehr als einen schnellen Abschied.«
»Ich habe keinen Vorschuß genommen«, gurgelte ich. Der Hemdkragen begann mir zu eng zu werden. Ich versuchte zu schlucken, und der oberste Knopf sprang ab.
»Unter Verwandten ist ein Vorschuß nicht so wichtig«, sagte er.
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