Das Ende der Dinosaurier
einem der Universitätsgebäude untergebracht. Seit sich herausgestellt hat, daß der Schlemmelmayer-Effekt eine große Sache ist, hat man ihn von aller Lehrtätigkeit befreit und ganz sich selbst und seinen Forschungen überlassen. Sein Laboratorium sah danach aus.
Ich sagte: »Schließt du die Tür nicht mehr zu?«
Er warf mir einen schlauen Blick zu, rümpfte die riesige Nase und schnüffelte. »Sie ist verschlossen. Mit einem Schlemmelmayer-Relais. Ich denke mir ein Wort – und die Tür öffnet sich. Ohne das Wort kommt niemand hinein. Nicht mal der Präsident der Universität. Ja, nicht einmal der Hausmeister!«
Ich begann mich für die Sache zu erwärmen. »Nicht möglich! Herr des Himmels, Onkel Otto! Ein gedankengesteuertes Schloß könnte dir eine Menge ...«
»Hah! Ich soll das Patent verkaufen, damit ein anderer reich wird? Nach dem gestrigen Abend? Niemals! Ich will selbst reich werden.«
Eins muß man meinem Onkel lassen: Er gehört nicht zu den Leuten, auf die man einreden muß wie auf einen kranken Gaul, bevor ihnen ein Licht aufgeht. Bei ihm weiß man im voraus, daß er das Licht nie sehen wird.
Also wechselte ich das Thema und sagte: »Und die Zeitmaschine?«
Mein Onkel Otto ist einen Fuß größer als ich, dreißig Pfund schwerer und stark wie ein Ochse. Wenn er einem die Hände um den Hals legt und schüttelt, bleibt einem nichts übrig, als blau und violett anzulaufen.
»Psst!« machte er.
Ich verstand.
Er ließ mich los und sagte: »Niemand weiß von Projekt X.« Er beugte sich über mich und wiederholte raunend: »Projekt X. Du verstehst?«
Ich nickte. Da mein Kehlkopf nur langsam heilte, hätte ich sowieso nicht sprechen können.
»Ich erwarte nicht, daß du dich mit meinem Wort zufriedengeben wirst«, sagte er. »Ich will für dich eine Demonstration machen.«
Ich versuchte in der Nähe der Tür zu bleiben.
»Hast du ein Stück Papier mit deiner eigenen Handschrift darauf?« fragte er.
Ich suchte in meiner Brusttasche. Irgendwo mußten Notizen sein, die ich für ein Gespräch mit einem Klienten gemacht hatte.
Onkel Otto sagte: »Zeig es mir nicht. Zerreiß es einfach in kleine Stücke und tue sie in diesen Becher.«
Ich zerriß das Blatt in einhundertachtundzwanzig Stücke.
Er betrachtete sie gedankenvoll und begann Knöpfe an einer – nun ja, an einer Maschine einzustellen. An einer Seite war eine dicke, undurchsichtige Glasplatte befestigt, die wie eine Instrumentenablage am Behandlungsstuhl eines Zahnarztes aussah. Ich wartete eine Weile, während er sich mit der Einstellung beschäftigte.
Dann richtete er sich auf, sagte: »Aha!« und trat einen Schritt zurück.
Ungefähr fünf Zentimeter über der Glasplatte erschien etwas, das wie ein verschwommenes Stück Papier aussah. Während ich hinsah, gewann es an Schärfe, und – aber warum ein Aufhebens davon machen? Es waren meine Notizen. Meine Handschrift. Das Blatt war vollständig und vom ersten bis zum letzten Buchstaben lesbar.
»Kann man es anfassen?« Ich war ein bißchen heiser, teils vor Verblüffung, teils wegen der überzeugenden Art meines Onkels Otto, Verschwiegenheit zu erzwingen.
»Geht nicht«, sagte er und fuhr mit der Hand durch das vermeintliche Papier; es blieb, wo es war, unberührt. Er sagte: »Es ist nur eine Wiedergabe im Brennpunkt eines vierdimensionalen Paraboloiden. Der andere Brennpunkt befindet sich an einer Stelle in der Zeit, als du das Blatt noch nicht zerrissen hattest.«
Ich steckte auch meine Hand durch das Papier. Es war nichts zu fühlen.
»Nun paß auf«, sagte er. Er drehte einen Knopf an der Maschine, und die Wiedergabe des Papiers verschwand. Darauf nahm er ein paar Papierfetzen aus dem Becher, warf sie in einen Ascher und zündete sie an. Er spülte die Asche in den Ausguß. Zur Maschine zurückgekehrt, drehte er abermals den Knopf, und die Wiedergabe des Papiers erschien aufs neue. Aber etwas war anders. Das Blatt Papier zeigte hier und dort unregelmäßig gezackte Löcher.
»Die verbrannten Stücke?« fragte ich.
»Genau. Die Maschine muß in der Zeit den Vektoren der Moleküle folgen, auf die sie eingestellt ist. Wenn bestimmte Moleküle umgewandelt oder in der Luft verteilt sind – pffft!«
Ich hatte eine Idee. »Angenommen, du hättest nur die Asche eines Dokuments.«
»Dann könnten nur diese Moleküle zurückverfolgt werden.«
»Aber angenommen, die Asche wäre noch beisammen«, meinte ich. »Dann wären die Moleküle so gut verteilt, daß du vielleicht ein
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