Das Ende der Dinosaurier
will.«
Das sagte mein Onkel Otto, seit es mit dem »Schlemmelmayer-Effekt« angefangen hatte. Vielleicht überrascht Sie das. Vielleicht glauben Sie, es sei der Schlemmelmayer-Effekt, der meinen Onkel berühmt gemacht hat. Nun, es kommt alles darauf an, wie man es sieht.
Er entdeckte den Effekt im Jahre 1952; wahrscheinlich wissen Sie darüber soviel wie ich. Er entwickelte ein Germanium-Relais, das auf Gedankenwellen, oder vielmehr auf die elektromagnetischen Felder der Gehirnzellen reagiert. Er arbeitete jahrelang daran, ein solches Relais in eine Flöte einzubauen, so daß sie allein durch die Kraft des Gedanken Musik spielen würde. Es war seine Liebe, sein Lebensziel, es sollte die Musik revolutionieren. Jeder würde in Zukunft spielen können; Technik und Geschicklichkeit wären nicht mehr nötig – nur der Gedanke.
Dann, es mag fünf Jahre her sein, modifizierte Stephen Wheland, ein junger Forscher im Dienst der Rüstungsfirma Consolidated Arms, den Schlemmelmayer-Effekt und kehrte ihn gewissermaßen um. Er entwickelte ein Feld von Ultraschallwellen, die das Gehirn über ein Germanium-Relais aktivieren und braten konnte. Im Experimentierstadium tötete er damit eine Ratte aus sieben Metern Entfernung. Wie sich später herausstellte, wirkte die Methode auch bei Menschen.
Daraufhin erhielt Wheland einen Bonus von zehntausend Dollar und wurde befördert, während die Mehrheitsaktionäre der Consolidated Arms Millionen machten, als die Regierung die Patente kaufte und ihre Aufträge erteilte.
Und mein Onkel Otto? Er kam auf die Titelseite der TIME.
Von da an wußte jeder, der sich ihm auf ein paar Kilometer näherte, daß er einen Kummer hatte. Manche meinten, es liege daran, daß er kein Geld bekommen hatte; andere, daß seine großartige Entdeckung zu einem Instrument des Krieges und des Tötens gemacht worden war.
Alles Unsinn! Es war seine Flöte! Der arme Onkel Otto. Er liebte seine Flöte. Er trug sie ständig bei sich, stets zu einer Demonstration bereit. Wenn er aß, ruhte sie in ihrem Spezialfutteral neben ihm auf dem Tisch, und wenn er schlief, verwahrte er sie am Kopfende seines Bettes. Sonntagvormittags erfüllten Onkel Ottos nicht immer harmonische Flötentöne die Physiklaboratorien der Universität, wenn das Instrument unter unvollkommener geistiger Kontrolle deutsche Volkslieder zum besten gab.
Das Problem war, daß kein Hersteller etwas damit zu tun haben wollte. Sobald die Existenz des neuartigen Instruments bekanntgeworden war, hatte die Musikergewerkschaft mit landesweitem Streik gedroht. Die Unterhaltungsindustrie alarmierte ihre Vertrauensmänner im Parlament und ließ einen Gesetzentwurf zur Unterbindung unlauterer Konkurrenz im Musikwesen einbringen; und selbst der alte Pietro Faranini steckte sich den Dirigentenstab hinters Ohr und gab gegenüber der Presse glühende Erklärungen über den bevorstehenden Untergang der Kunst ab.
Onkel Otto erholte sich von alledem nie mehr.
»Gestern war meine letzte Hoffnung«, sagte er zu mir. »Consolidated gab mir zu Ehren ein Bankett. Wer weiß, sagte ich mir. Vielleicht werden sie doch noch meine Flöte kaufen.«
Die Vorstellung erregte meine Phantasie. »Großartige Idee!« sagte ich. »Tausend riesige Flöten, an strategischen Punkten im Feindesland verborgen, lassen Schlager und Propagandamusik ertönen, bis ...«
»Still! Still!« Onkel Otto schlug mit der flachen Hand auf meinen Schreibtisch, daß es wie ein Pistolenschuß knallte, und der Plastik-Terminkalender sprang vor Schreck in die Höhe und fiel tot nieder. »Auch von dir Gespött? Wo ist dein Respekt?«
»Es tut mir leid, Onkel Otto.«
»Dann hör zu. Ich nahm an dem Bankett teil, und sie hielten Ansprachen über den Schlemmelmayer-Effekt und wie er die Kraft des Geistes bändige. Dann, als ich dachte, sie würden den Ankauf meiner Flöte verkünden, gaben sie mir dies!«
Er zog etwas aus der Tasche, das wie ein Zweitausenddollar-Goldstück aussah, und warf es mir zu. Ich duckte mich.
Hätte es das Fenster getroffen, so wäre es durch die Scheibe geflogen und hätte einen Fußgänger erschlagen, aber es traf die Wand, und ich hob es auf. Man konnte am Gewicht merken, daß es nur vergoldet war. Auf einer Seite stand in Großbuchstaben: ELIAS BANCROFT SUDFORD-PREIS, und in kleineren Buchstaben: »Dr. Otto Schlemmelmayer für seinen Beitrag zur wissenschaftlichen Forschung«. Auf der Rückseite war ein Profil zu sehen, das offensichtlich nicht meinen Onkel Otto darstellte.
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