Das Ende der Geduld
Jugendkriminalität umgegangen wird.
Die Situation der Schulen,
der Jugendämter und der Polizei
Die Schulen in Risikobezirken -
weshalb das System vor dem Kollaps steht
Vorausgeschickt sei, dass auch deutsche Kinder, besonders diejenigen aus problembelasteten Familien wie den anfangs erwähnten Lehmanns, häufig dem Unterricht fernbleiben, keinen Abschuss erlangen und sich auf ein Leben mit „Hartz IV" vorbereiten. Es sind erschreckend viele. Umgekehrt gibt es bei sämtlichen Migranten Eltern, die sich sehr für ihre Kinder einsetzen und sie selbstverständlich in die Schule schicken, an Elternabenden teilnehmen und allgemein mit den staatlichen Systemen kooperieren. Allerdings zeichnet sich in den überwiegend von Einwandererkindern besuchten Schulen ein besonders düsteres Bild ab, weshalb ich mich vornehmlich, jedoch nicht ausschließlich mit diesen befasse.
Deutschland ist als kinderarmes Land besonders auf Zuwanderer und ihre Kinder angewiesen. Jedes zweite Kind in Berlin hat einen Migrationshintergrund. Die deutschen Großstädte werden aufgrund der demografischen Entwicklung in wenigen Jahren mehrheitlich von den eingewanderten Menschen bevölkert sein. Diese Entwicklung wird vermutlich auch noch in diesem Jahrhundert in ganz Deutschland stattfinden. Es ist deshalb unabhängig von Kriminalitätsrisiken durch mangelnde Bildung unerlässlich, die nachwachsende Einwanderergeneration zu fördern. Sie wird in den nächsten zwanzig Jahren dringend in qualifizierten Berufen, vor allem in Kitas und Schulen, bei der Polizei, bei sämtlichen Ämtern und in der Justiz, benötigt.
Kinder und Jugendliche aus Einwandererfamilien sind gegenwärtig an Berliner Gymnasien mit 20 Prozent stark unter- und dementsprechend an Hauptschulen erheblich überrepräsentiert. In Neukölln stellen sie im Durchschnitt 74 Prozent der Hauptschüler. Es gibt Schulen, an denen sich kein deutsches Kind mehr findet. Damit einhergehend wirkt sich aus, dass 95 Prozent der Kinder „lehrmittelbefreit" sind, was nichts anderes bedeutet, als dass die Eltern sämtlich nicht berufstätig sind. Man hat für eine Grundschule in Neukölln errechnet, dass allein für die Familien, die ihre Kinder dort hinschicken, monatlich mehr als 400.000 Euro Transferleistungen aufgewendet werden müssen. Worum drehen sich in der Pause die Gespräche? Jedenfalls nicht darum, ob man dem Vater vielleicht beruflich nacheifern möchte - obwohl mir als Berufswunsch auch schon „Ich werde Hartz IV" angeboten wurde - oder ob man in eine völlig andere Richtung strebt. Die Kinder gehen zur Schule und wissen nicht, weshalb. Bei den deutschen Schülern, die aus Familien stammen, die zum Teil in der dritten Generation von Sozialleistungen leben, verhält es sich ebenso.
Nun sollte man denken, die Schüler erscheinen, weil es eben eine Schulpflicht gibt, weil Schule zum Heranwachsen gehört oder einfach weil die Kinder wissbegierig sind. Letzteres ist, wie mir die Leiterin der Grundschule in der Köllnischen Heide, Frau Astrid Busse, versicherte, auch der Fall. Sie beobachtet, dass die „Kleinen" sich in der Schule angenommen und wohl fühlen und es für sie nach eigenem Bekunden nichts Schlimmeres gibt als große Ferien. Zumindest dann, wenn nicht verreist wird, was vielfach der Fall ist. Dann ist Ödnis angesagt. Freizeitangebote werden in den Ferien staatlicherseits nicht in dem benötigten Umfang unterbreitet. Im Elternhaus ist die Beschäftigving mit den Kindern im Sinne von gemeinsamer sinnvoller Freizeitgestaltung oft unüblich. Es läuft den ganzen Tag der Fernseher, die Jungen machen, was sie wollen, die Mädchen helfen im Haushalt oder treffen sich daheim mit Freundinnen, die, wie die Eltern mir bei Gesprächen häufig vermitteln, aus der eigenen Ethnie stammen. In die Mädchentreffs, von denen es in den Problembezirken einige gibt, dürfen die weiblichen Kinder und Jugendlichen teilweise nur noch höchst ausnahmsweise und unter starker Kontrolle seitens der Familien ausweichen.
Diejenigen Familien, die bei Ferienbeginn in die Türkei oder -sofern nicht staatenlos - in den Libanon fahren, reisen teilweise vor Ferienbeginn ab und kehren weit nach Beginn des neuen Schuljahres wieder zurück. Dann ist die Klasse im Stoff schon auf und davon. Der Frust setzt an mehreren Punkten gleichzeitig ein. Bei Murat kommt es zu Fehlzeiten, die nicht selten in dauerhaftes Fernbleiben vom Unterricht münden, wenn er bemerkt, wie viel er bereits versäumt hat.
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