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Das Ende der Geduld

Das Ende der Geduld

Titel: Das Ende der Geduld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Heisig
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fahren, schützt sie „Hartz IV" auch nicht vor dem Bußgeld. Werden die Bußgelder nicht bezahlt, kann das Gericht Erzwingungshaft bis zu sechs Wochen verhängen. Es ist den Jugendrichtern in Berlin gelungen, die Zuständigkeit für diese Verfahren an sich zu ziehen, denn der sachliche Zusammenhang zu unseren späteren jugendlichen Straftätern und der bei Ihnen häufigen Schulverweigerung ist zu offensichtlich. So lernt man die problematischen Familien bereits früher kennen als sonst und kann möglicherweise das Familiengericht einschalten, wenn sehr renitente Eltern überhaupt nicht mitarbeiten. Ich drohe im Falle der Nichtzahlung des Bußgeldes üblicherweise eine Woche Haft an. Meist wird das Geld dann bezahlt.
    Manch überzeugter Sozialarbeiter kritisiert diesen Ansatz mit dem Argument, man bringe die Kinder durch die Sanktionen gegen die Eltern nicht zum Lernen, im Gegenteil werde die Familie durch die finanzielle Bestrafung noch zusätzlich geschwächt. Besonders dann, wenn die Eltern auch noch inhaftiert werden, entstehe mehr Schaden als Nutzen. Ich halte dem entgegen, dass es erlaubt sein muss, geltendes Recht auch anzuwenden. Es ist vom Gesetzgeber sicherlich bedacht worden, dass überwiegend sozial schlechtergestellte Elternhäuser von dem Gesetz getroffen werden. Dennoch ist die Vorschrift geschaffen worden. Dann ist sie auch durchzusetzen, denn sonst kommt der Staat als zahnloser Tiger daher. Nur wenn wir den Eltern nach fehlgeschlagener oder vergeblicher Sozialarbeit klarmachen, dass eine derartige Verweigerungshaltung auch repressive Konsequenzen nach sich zieht, ist die Rechtsordnung stimmig und hat die Chance, auch als für alle verbindlich begriffen zu werden. Die Eltern nehmen so zur Kenntnis, dass die Schulpflicht ernst zu nehmen ist und nicht ein bloßes Angebot darstellt, sondern dass die sie aufnehmende Gesellschaft Wert darauflegt, dass ihre Kinder gebildet werden.
    Wir arbeiten seit Anfang 2008 in ganz Berlin in dieser Struktur. Eine Evaluation ist bisher nicht durchgeführt worden. Aber natürlich wäre zu überprüfen, ob die Kinder nach der Durchfuhrung eines Bußgeldverfahrens häufiger in die Schule geschickt werden. Sicher ist dieser Ansatzpunkt nur ein Bestandteil eines Gesamtkonzeptes, das benötigt wird, um erfolgreiche, mündige Bürger aus der Schule zu entlassen. Hilfreich fände ich zum Beispiel, wenn ich auf die in der ersten Jahreshälfte 2009 beschlossene und zugleich politisch hoch umstrittene Schülerdatei zurückgreifen könnte, um nach dem durchgeführten Bußgeldverfahren zu prüfen, ob das Kind denn nun zur Schule geht. Kann ich aber nicht. Denn zum einen existiert die Datei noch gar nicht. Bislang ist auf der Ebene der Umsetzung des Gesetzes noch nichts Erkennbares geschehen. Es soll irgendwann eine Pilotphase geben - was immer das heißen mag. Zum anderen ist gesetzlich gar nicht vorgesehen, dass der Jugendrichter Zugang zu den Daten erhält. Also erwarten mich wieder umständliche Nachfragen bei anderen Verfahrensbeteiligten. Im Zweifel kann mir die JGH weiterhelfen. Ich frage mich: Was soll das? Warum kann eine derartig fundamentale Information nicht von einem Richter abgefragt werden, wenn er beispielsweise ein Strafverfahren gegen den Jugendlichen bearbeitet, von dem er durch das Bußgeldverfahren gegen seine Eltern weiß, dass schulische Probleme bestehen?
    Ein gravierendes Problem im Bereich des Schulbesuchs ist der Zeitfaktor. Aus den Schulversäumnisanzeigen, die ich durch die Bearbeitung der Bußgeldverfahren gegen die Eltern zu sehen bekomme, ergibt sich sehr häufig ein derartig großer Zeitverlust, bis überhaupt auf die Nichtteilnahme am Unterricht reagiert wird, dass das jeweilige Halbjahr als verloren angesehen werden kann. Beispielhaft sei ein Vorgang erwähnt, der mich in der zweiten Jahreshälfte 2009 erreichte und bei dem die Versäumnisanzeige der Schule Anfang Februar 2008 gefertigt wurde. Der Schüler fehlte seit Anfang Dezember 2007. Die Lehrerin meinte, es fehle an häuslicher Unterstützung, wusste aber nicht, ob die Schuldistanz schon länger bestand, da ihr der Schülerbogen nicht zugänglich war. Telefonanrufe seien versucht worden, jedoch meldeten sich unter der angegebenen Nummer keine Angehörigen. Ein Hausbesuch sei von einem Mitarbeiter des Schulprojektes „2. Chance" durchgeführt worden. Dann wurde ein Jugendamtsmitarbeiter eingeschaltet. Der Sozialarbeiter der „2. Chance" kooperiere weiter mit dem Schüler, informiere den

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