Das Ende der Geduld
Schulpflicht zu richten. Hier ist zum einen die Schule selbst gefragt. Jedem Schulversäumnis ist nachzugehen. Man kann die Eltern anrufen, einen Brief schreiben, einen Hausbesuch machen, um überhaupt in Kontakt mit den Erziehungsberechtigten zu kommen. In der Praxis zeigen sich an dieser Stelle bereits erhebliche Schwierigkeiten. Ich habe mit einem Kollegen die Neuköllner Hauptschulen besucht, da wir Wert darauf legen, mit den Lehrkräften und nicht nur mit der Schulleitung zu reden. Die, die im Klassenraum stehen, kennen ihre Schüler am besten und wissen Problemlagen einzuschätzen. Uns wird berichtet, dass Anrufe bei den Eltern häufig entweder gar nicht entgegengenommen werden oder dass eine Sprachbarriere besteht. Über die kommt man am Telefon besonders schlecht hinweg. Briefe hingegen werden von den Schulen oft geschrieben - für meine Begriffe zu oft, denn es stellt sich immer wieder heraus, dass die Post von den Kindern abgefangen wird und die Eltern gar nicht erst erreicht. Oder aber die Sprösslinge händigen den Brief aus, wohl wissend, dass ihre Übersetzungsdienste in Anspruch genommen werden müssen. Dann wird aus dem Mahnschreiben bezüglich der Fehltage: „Hier steht, ich bin ein guter Schüler und werde sicher in die nächste Klasse versetzt."
Manche Lehrkräfte schaffen es trotz der vielfältigen Probleme innerhalb der Klasse - denn es gibt ja nicht nur ein Kind, das nicht zur Schule kommt -, einen Hausbesuch zu machen. Auch hier erweist es sich nach Auskunft der Pädagogen oftmals als schwierig, Einlass zu bekommen, selbst wenn man sich vorher angekündigt hat. Findet der Lehrer Gehör, ist die Sprachbarriere mit ihren bereits dargestellten Tücken der lächelnd, jedoch unzutreffend übersetzenden Kinder das Haupthindernis. Und auch dann, wenn die Eltern alles verstanden und sogar Tee und Gebäck serviert haben, heißt das noch längst nicht, dass Achmed am nächsten Tag in der Schule ankommt. Manchmal interessieren sich die Eltern schlicht nicht dafür, ob das Kind zur Schule geht. Ein anderes Mal schicken sie den Kleinen los, er kommt jedoch nicht an. Oder er verlässt den Unterricht alsbald wieder.
Zwar enden nicht alle Jugendlichen, die nicht oder nur selten zur Schule gehen, als Straftäter. Umgekehrt ist aber durchaus ein Zusammenhang zu erkennen: Nahezu alle Mehrfachtäter sind Schulverweigerer. Deshalb gilt die Schule als eine entscheidende Stellschraube, einen Lebenslauf positiv zu beeinflussen.
In Berlin wird im Anschluss an unentschuldigtes Fehlen von mehr als zehn Tagen eine Schulversäumnisanzeige gefertigt. Diese richtet sich an das regional zuständige Schulamt. Zeitgleich sollte der sozialpädagogische Dienst des Jugendamtes eingeschaltet werden. Dieser wiederholt meist die bereits seitens der Schule vergeblich durchgeführten Versuche der Kontaktaufnahme, während das Schulamt ein Bußgeldverfahren gegen die Eltern einleiten kann. Wenn das Kind nach wie vor nicht in die Schule geht, kann eine zwangsweise Zuführung mithilfe der Polizei erfolgen. Hieran mag der unbefangene Leser einige Hoffnung knüpfen, jedoch ist diese meist zu enttäuschen. Die Berliner Polizei ist aufgrund ihrer personellen Ausstattung lediglich in der Lage, pro Kind maximal eine Schulzuführung im Schuljahr durchzusetzen - und selbst das ist lediglich der Optimalfall. Hinzu kommt, dass der Schulpflichtige lediglich von der Polizei zur Schule gebracht wird. Wenn er nach der ersten großen Pause wieder verschwindet, ist das „Fahrzeug mit neutralem Farbanstrich", mit welchem die Zuführung unauffällig erfolgen soll, längst wieder weg. Alles geht dann oft den gewohnten Gang, heißt: Das Kind schwänzt weiter.
Das Berliner Schulgesetz sieht Bußgelder bis zu 2500 Euro vor, wenn Eltern ihre schulpflichtigen Kinder nicht zur Schule schicken. Ein Kollege und ich haben uns gefragt, wie dieses Gesetz in Berlin eigentlich umgesetzt wird. Zu unserer Überraschung stellten wir fest: in manchen Bezirken gar nicht. Neukölln führte zwar Bußgeldverfahren durch, jedoch versandeten diese bei den zumeist betroffenen ALG-2-Empfängern, weil sich die Ansicht verbreitet hatte, dass bei „Hartz IV" nichts zu holen sei, weshalb die Bußgelder zwar verhängt, aber nicht vollstreckt wurden. Infolgedessen haben wir mit dem Schulamt gemeinsam eine andere Handhabung entwickelt und vereinbart, dass ALG-2-Empfangern ein Bußgeld in Höhe von 150 bis 200 Euro zugemutet werden kann. Wenn die Betroffenen bei Rot über die Ampel
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