Das Ende der Geduld
abgeben. Der fliegt nämlich nach Angaben von Jugendlichen, die auf diese Weise nach Deutschland gekommen sind, mit und sammelt im Flugzeug die Pässe ein. Die „unbegleitet reisenden asylsuchenden Jugendlichen", die häufig deutlich älter sind, als sie angeben, werden dann einem entsprechenden Heim zugewiesen, in dem sie sich dem ausländerrechtlichen
Status der Duldung entsprechend eigentlich ständig aufhalten müssen. Machen sie aber nicht. Stattdessen tauchen sie rasch bei Landsleuten in Berlin unter. Diese machen sie dann vermutlich auch mit den Regeln des jeweiligen Marktes vertraut: wer wo was und für wie viel verkaufen darf, wo man die Ware erhält, wer den Erlös bekommt. Selbst davon profitieren können die Straßenhändler nicht. Sie müssen ganz im Gegenteil für die Schleusung noch bezahlen, denn die Geschichte mit den Verwandten, die die „Reise" angeblich bezahlt haben, ist eben unwahr.
Ich habe kürzlich in Heimen der Jugendhilfe in anderen Bundesländern angerufen, weil mir auffiel, dass ich mehrmals Jugendliche wegen Heroinhandels verurteilt hatte, die sich eigentlich in diesen Einrichtungen weitab von Berlin aufhalten sollten. Die Mitarbeiter erklärten mir, dass man die Jugendlichen, die sich entfernen, als vermisst meldet - und das war es dann. Ihre Einrichtung selbst sei im Übrigen offen. Jeder könne kommen und gehen, wann er wolle. Wenn die Bewohner älter als 16 Jahre alt seien und nicht mitwirkten, um z. B. Deutsch zu lernen, kämen sie in eine Einrichtung für erwachsene Asylbewerber, und falls sie dort abgängig seien, dann sei das eben so. Da gebe es dann nicht einmal eine Vermisstenmeldung. Eine andere Recherche ergab, dass ein angeblich Jugendlicher in einem Heim als Bewohner registriert war, was die entsprechenden Kosten auslösen dürfte, aber allenfalls mal auftauchte, wenn es „Taschengeld" gab. Der Mitarbeiter dieser Einrichtung ging mit diesem Umstand ganz gelassen um. Das hat mich verwundert. Die jungen Männer haben eine klare Zuweisung, an die sie sich ohne Eintritt von Folgen nicht halten. Und das auch noch auf Kosten der Staatskasse, die zusätzlich belastet wird, wenn die Dealer in Berlin aufkreuzen, hier mit Heroin handeln, erwischt und in Haft genommen werden - wobei dies nicht zwangsläufig geschieht, denn sie sind ja in der Lage, einen festen Wohnsitz im Heim nachzuweisen, wo sie länger polizeilich gemeldet als tatsächlich anwesend sind. Inzwischen sind wir Richter und Staatsanwälte aber auch in der Realität angekommen, und häufig ergehen in diesen Fällen Haftbefehle.
Welche pädagogisch sinnvolle Maßnahme soll in diesen Fällen verhängt werden? Sich in die Einrichtung zurückzubegeben und an einem Deutschkurs teilzunehmen? Oft verhängen die Jugendrichter Arreste, auf die dann die bis zur Hauptverhandlung erlittene - so heißt das im Juristendeutsch - Untersuchungshaft angerechnet wird. Man hofft, der Jugendliche werde durch das Erlebnis der Haft von weiteren Taten abgehalten. Ist das realistisch? Man bedenke die gesamte Vorgeschichte. In Fällen, in denen der Jugendliche mehrmals oder in größeren Mengen mit Heroin gehandelt hat, werden zunehmend Jugendstrafen verhängt. Die Vollstreckung wird bei einem „Ersttäter" im Regelfall zur Bewährung ausgesetzt. Beim nächsten Deal, der auffliegt, folgt dann eine entsprechend lange Inhaftierung. Das ist nicht gerade das, was der Junge aus dem Libanon sich erhofft hat, und auch nicht das, was der Jugendrichter sich von seinem pädagogischen Auftrag verspricht. Der neueste Trend der Banden ist übrigens, unter 14-Jährige heranzuschaffen. Das hat den besonderen Charme der nicht drohenden Bestrafung. Im Juli 2009 wird in Berlin ein zwölfjähriger staatenloser palästinensischer Junge mit 150 abgepackten Portionseinheiten Heroin festgenommen. Der kann nun endgültig gar nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Nahezu stereotyp taucht dann in den Medien die Frage auf, ob wir denn nicht die Strafmündigkeitsgrenze auf zwölf Jahre heruntersetzen sollten. Dazu kann ich nur sagen: Bitte nicht! Denn dann werden demnächst Zehnjährige geholt.
Ich vertrete seit vielen Jahren immer wieder die Meinung, dass wir um die Einrichtung geschlossener Unterbringungsmöglichkeiten nicht herumkommen. Alles andere ist pseudoliberale Heuchelei, die vor lauter Ideologie den Blick auf die Lebenswirklichkeit verstellt. Wenn Kinder und Jugendliche in dieses Land geschleust werden, um hier Straftaten zu begehen, kann man dies
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